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André Dussollier · Isabelle Druet · Orchestre National de Lyon, Leonard Slatkin: Maurice Ravel – Orchestral Works · 5

Maurice Ravel, 1925, Von Unbekannt The image holder, the Bibliothèque nationale de France has not identified a photographer. (Follow link and click on "Detailed information".) - Bibliothèque nationale de France, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11402630Man mag es kaum für möglich halten, aber es gibt immer noch Werke eines so populären Komponisten wie Maurice Ravel (1875–1937), die selbst einem Kenner seines Œuvres unbekannt sind. Dabei ist die nun anhand der Orchesterpartitur und einer Klaviertranskription von Leonard Slatkin rekonstruierte Bühnenmusik zu „Antar“ so gelungen und originell, wie ihre Entstehungsgeschichte ungewöhnlich ist.

Im Jahre 1910 beauftragte das Pariser Théâtre de l’Odéon Ravel mit der Komposition einer Bühnenmusik für das Theaterstück „Antar“ nach einem Libretto des französischsprachigen libanesischen Schriftstellers Chekri Ganem. Die tragische Liebesgeschichte geht auf die vorislamische Legende des Kriegers Antara ibn Shaddād zurück, der im selbst gewählten Exil in der Wüste lebt und die Feenkönigin von Palmira Gul-Nazar in Gestalt einer Gazelle rettet. Sie gewährt ihm drei Wünsche – Rache, Macht und Liebe – dann verliebt er sich in sie. Als seine Liebe verebbt, tötet sie ihn (auf eigenen Wunsch) mit einem leidenschaftlichen Kuss.

Anstatt selbst Musik für das Theaterstück zu komponieren, bearbeitete Ravel Kompositionen seines russischen Jugendidols Nikolai Rimski-Korsakow (1844–1908), insbesondere dessen Sinfonie Nr. 2 op. 9 „Antar“ (von 1868, rev. 1875 und 1897), ferner Motive aus der Oper „Mlada“ (1889/90) und einige Lieder. Einer der bedeutendsten europäischen Orchestrierer des 20. Jahrhunderts bearbeitet Musik eines der wichtigsten Klangmagiers der russischen Schule. Das Ergebnis ist, auch nach über 100 Jahren, ein in seiner Bildhaftigkeit und Originalität faszinierendes Werk, das Ravels spätere Großtat, die Orchestrierung der „Bilder einer Ausstellung“ Modest Mussorgskys, bereits vorausahnen lässt.

Während es Slatkin gelang, die vollständige Musik der Aufführungen des Theaterstücks zu rekonstruieren, das Stück wurde in Paris und Monaco aufgeführt, erwies sich der Originaltext Ganems als gänzlich ungeeignet für eine konzertante Aufführung. Amin Maalouf, ebenfalls ein französischsprachiger libanesischer Schriftsteller, der bereits mehrere Libretti für Kaija Saariaho geschrieben hat, wurde mit der Neufassung eines begleitenden Textes beauftragt. Da die Musik bereits vorlag, galt es den Text „passgenau“ auf die Bearbeitungen Ravels zu schreiben. Und es passt: Selbst für den frankophon ungeübten Hörer sind Maaloufs Texte, sensibel und mit Taktgefühl vorgetragen von André Dussollier, eine sinnreiche Ergänzung zur suggestiven Musik.

Das Orchestre National de Lyon spielt, wie bereits auf den vorigen Volumen dieses bemerkenswerten Ravel-Zyklus’, konzentriert, präzise und voller Hingabe. Die typischen Klangfarben Ravels, bei „Antar“ mit betörenden Orientalismen angereichert, gelingen kaum einem Orchester so gut wie dem von Leonard Slatkin sicher geführten Franzosen. Sie machen die vielen Nuancen der kongenialen Orchestrierung Ravels hörbar, die es wirklich wert sind, entdeckt zu werden.

Die französische Mezzosopranistin Isabelle Druet glänzt bei dem kurzen Orchesterlied-Zyklus „Shéhérazade“, der das Album sinnvoll ergänzt, mit ihrer sinnlich-warmen Stimme und einer verständlichen Diktion. Dies ist selbst bei Muttersprachlern keinesfalls eine Selbstverständlichkeit.

Und so ist auch der fünfte Teil der Gesamteinspielung der Orchesterwerke Ravels wieder ein Album geworden, das man allen Ravel-Fans (und nicht nur denen) wärmstens empfehlen kann, nicht nur wegen der musikhistorisch relevanten Rarität „Antar“, sondern auch (und gerade) wegen der referenzartigen Umsetzung der beiden „orientalischen“ Arbeiten Ravels.

Published inAlben vorgestellt

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