Man mag es kaum für möglich halten, aber es gibt immer noch Werke eines so populären Komponisten wie Maurice Ravel (1875–1937), die selbst einem Kenner seines Œuvres unbekannt sind. Dabei ist die nun anhand der Orchesterpartitur und einer Klaviertranskription von Leonard Slatkin rekonstruierte Bühnenmusik zu „Antar“ so gelungen und originell, wie ihre Entstehungsgeschichte ungewöhnlich ist.
Im Jahre 1910 beauftragte das Pariser Théâtre de l’Odéon Ravel mit der Komposition einer Bühnenmusik für das Theaterstück „Antar“ nach einem Libretto des französischsprachigen libanesischen Schriftstellers Chekri Ganem. Die tragische Liebesgeschichte geht auf die vorislamische Legende des Kriegers Antara ibn Shaddād zurück, der im selbst gewählten Exil in der Wüste lebt und die Feenkönigin von Palmira Gul-Nazar in Gestalt einer Gazelle rettet. Sie gewährt ihm drei Wünsche – Rache, Macht und Liebe – dann verliebt er sich in sie. Als seine Liebe verebbt, tötet sie ihn (auf eigenen Wunsch) mit einem leidenschaftlichen Kuss.