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Chor des Bayerischen Rundfunks · The Hilliard Ensemble · Münchner Rundfunkorchester: Arvo Pärt – Live

Der Este Arvo Pärt (*1935) ist einer der wichtigsten und populärsten lebenden Komponisten, obwohl (oder gerade weil?) seine Tonsprache nicht in die üblichen Schubladen der zeitgenössischen Musik passt. Stattdessen ist sein „Tintinnabuli-Stil“ – eine Anspielung auf das „Klingeln“ des zentralen Dreiklangs in seiner Musik (auf Latein bedeutet Tintinnabulum „Schelle“) – eine „eigene Schublade“, eine Technik, die in dieser Konsequenz nur von ihm angewandt wird: Was wie Arvo Pärt klingt, ist von Arvo Pärt.

Pärts Erfolg ist gewissermaßen der Ausdruck eines postmodernen Paradoxons: Die tiefe Spiritualität der relativ einfachen, ruhig dahinfließenden Musik fasziniert die Menschen in komplizierten, zutiefst weltlichen und hektischen Zeiten. Pärts Musik ist das Antidot der westlichen Zivilisation.

Auf dem hauseigenen Label des Bayerischen Rundfunks BR Klassik erscheint mit „Arvo Pärt Live“ bereits die zweite, ausschließlich dem estnischen Komponisten gewidmete Veröffentlichung. 2015, rechtzeitig zum 80. Geburtstag des Komponisten, hatte man mit „Te Deum“ einen ersten Querschnitt durch seine geistliche Musik veröffentlicht. Das aktuelle Album „Live“ fasst fünf Werke in fünf Konzertmitschnitten zusammen, die zwischen 2000 und 2011 in verschiedenen Münchener Kirchen unter maßgeblicher Beteiligung des Chors des Bayerischen Rundfunks und des Münchner Rundfunkorchesters und einer Reihe illustrer Dirigenten – Robert King, Peter Dijkstra, Ulf Schirmer und Marcello Viotti – entstanden.

Der Schwerpunkt liegt auch dieses Mal auf den Werken nach seiner Hinwendung zum Tintinnabuli-Stil. Das Album wird allerdings von der frühen „Collage über B-A-C-H“ (aus dem Jahre 1964) eröffnet. Trotz ihrer avantgardistischen Klangsprache scheint das Orchesterwerk bereits auf Pärts spätere Hinwendung zum Minimalismus und zur „neuen geistlichen Musik“ zu verweisen.

Pärts Musik bedarf ein hohes Maß an Präzision und Synchronizität, um in ganzer Schönheit erstrahlen zu können. Hier zahlt es sich aus, dass Chor und Orchester oft zusammenarbeiten. Speziell bei den beiden zentralen Werken des Albums, der Motette „Cecilia, vergine romana“ für Chor und Orchester und „Litany: Prayers of St John Chrysostom for each hour of the day and night“ für Solisten, Chor und Orchester, überzeugen die Sänger und Musiker aus München durch die natürliche Homogenität ihres Gesamtklangs. Neben dem gewohnt brillanten Chor ist dies eine gute Gelegenheit, eine Lanze für das „andere“ Münchner Rundfunkorchester zu brechen, das (zumindest überregional) immer etwas im Schatten des „großen“ BR-Symphonieorchesters zu stehen scheint, ohne dass es dafür musikalische Gründe gäbe. Im Gegenteil. Das schlanke, wendige Rundfunkorchester hat sich in den letzten Jahren zu einem der arriviertesten Klangkörper zur Begleitung von zeitgenössischer Vokalmusik entwickelt. Nach der “Verkündigung” von Walter Braunfels und „L’heure espagnole“ von Maurice Ravel fügt das Ensemble seiner Diskografie ein weiteres exemplarisches Album hinzu.

Fazit: Das vorliegende Album „Live“ fasst einige faszinierende Kapitel der Chormusik Pärts in sehr guter Klangqualität und auf höchstem Interpretationsniveau zusammen. Diese werden mit der „Collage“ und dem „Cantus in Memory of Benjamin Britten“ durch zwei essenzielle Orchesterwerke ergänzt. Freilich: Der eigentliche Star des Albums ist sicher die kraftvolle Musik Pärts, die allerdings bei den „öffentlich-rechtlichen Münchenern“ in den besten Händen (und Kehlen) ist.

Published inAlben vorgestellt

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