Für Robert Schumann gab es bestimmte Zeiten, in denen er sich einem bestimmten Instrument, einer bestimmte Form zuwandte. Stark abhängig von den äußeren Umständen, ließ er sich dazu hinreißen, seinen inneren Ideen Ausdruck zu verleihen, seien es die Klavierwerke seiner frühesten Schaffensperiode, seine Lieder während der intensivsten Phase seiner Faszination für Clara Wieck – oder die Werke für das Ventilhorn. Dieses Instrument begeisterte ihn ausgerechnet im Jahr 1849, dem Revolutionsjahr in Deutschland. Und genau diese Umstände hatten auch auf Schumann ihren Einfluss. Bereits 1844 war der Komponist mit seiner Familie nach Dresden gezogen, dorthin, wo sich die Aufstände der Bevölkerung 1849 zuspitzten und selbst Komponisten wie Wagner dazu brachten, auf Barrikaden zu klettern. Anders Schumann: Er beobachtete die „erschütternde[n] Ereignisse“, wie er sie nannte, interessiert, aber von außen – und setzte alles wieder einmal in Musik um. Er selbst meinte, dass dieses Jahr 1849 sein fruchtbarstes in kompositorischer Hinsicht gewesen sei. Dies ist typisch für Schumann. Die äußeren Umstände konnte er ausschließlich mit seiner Kreativität beantworten, die ihm zu einer inneren Balance verhalfen, wie er 1849 an seinen Freund Ferdinand Hiller schrieb.
Dort, auch unter dem Einfluss der Musiker der Dresdner Hofkapelle, schrieb er 1849 das eigenwillige wie hochromantische Konzertstück für 4 Hörner und Orchester, das ein Jahr später vom Dresdner Orchester uraufgeführt wurde. Doch schon zuvor war Schumann vom Horn infiziert worden, wie sich im „Adagio und Allegro“ Op. 70 für Horn und Klavier erkennen lässt, das nur wenige Tage vor dem Konzertstück entstand. Das Horn als Ausdruck eines Signalinstruments für die politischen Wirren zu sehen, ist immer wieder in der Rezeption manifestiert worden. Immerhin erlaubte Schumann im „Adagio und Allegro“ auch die Besetzung mit Cello, die dieser Sichtweise entgegensteht. Immerhin erkannte der erste Rezensent dieses Werks, Emanuel Klitsch, bereits seine Bedeutung: „Es ist ein Stück aus dem Seelenleben, dem man die Notwendigkeit seiner Existenz alsbald anmerkt, die Wahrheit der Stimmungen, auf denen es ruht, ist […] schlagend und überzeugend […]“ Es ist ein gleichberechtigter Dialog, der da zwischen dem Horn und dem Klavier zustande kommt. Schumann hat mit diesem Stück etwas geschaffen, das in seiner formalen Idee und seinem thematischen Ausdruck angenehm von den typischen Virtuosenstücken der Zeit abhebt. Die auf der vorliegenden CD erklingende Version für Horn und Orchester stammt von dem großartigen Schweizer Dirigenten Ernest Ansermet, die dieser in den frühen 1940er Jahren arrangierte. Und wie grandios zeigt sich hier der finnische Hornist Markus Maskuniitty, der mit dieser CD seine erste Solo-Einspielung vorlegt.
Ansermet hat die gleichbedeutende Klavierstimme bestens arrangiert. Maskuniitty ist ein brillanter Solist, der die Musik mit seinem warmen Hornklang nicht als Selbstzweck seines Spiels sieht, sondern sie verinnerlicht und entsprechend zu gestalten versteht.
Dass dem Solisten bei dieser Agogik sicherlich auch die lange Zusammenarbeit mit dem Royal Stockholm Philharmonic Orchestra unter seinem Chefdirigenten Sakari Oramo, mit dem Maskuniitty bereits eine lange Kollaboration vereint, zu Gute kommt, versteht sich von selbst. Es hilft einfach, wenn sich die Protagonisten so gut kennen und sich so sehr auf die Aussagen der Musik einigen können. Und das hört man. Doch auch die Kollegen Maskuniitty im Konzertstück, Martin Schöpfer, Kristofer Öberg und Monica Berenguer Caro sind famose Akteure an dem so selten zu hörenden Soloinstrument Horn. Und damit wird das Konzertstück bereits zu einer Hörfreude, die man in dieser Qualität so gut wie nie zu hören bekommt.
Fast vierzig Jahre nach Schumanns Werken schrieb der französische Komponist Camille Saint-Saëns sein „Morceau de concert“ für Horn und Orchester, nämlich 1887. Es ist ein typisch französisches Stück Musik, das der Komponist schuf. Kein Wunder, hatte er es doch dem französischen Hornbauer Henri Chaussier gewidmet, der um diese Zeit seinen eigenen Horntyp, das Cor Chaussier entwickelt hatte. Genau auf diesen Klang ausgerichtet bestimmt Saint-Saëns den Hornpart im Zusammenspiel des Orchesters heraus, zu einem wunderbar spätromantischen Werk. Maskuniitty findet auch hier die passende Tonsprache, um die fast schon majestätischen Klangwelten Saint-Saëns’ herauszuarbeiten.
Der russische Komponist Reinhold Glière wandte sich erst spät einigen Konzertstücken zu, doch vollendete er vor Ende seines Lebens nur eines: Das Hornkonzert Op. 91. Das war im Jahr 1951, als Glière bereits 76 Jahre alt war und vier Jahr vor seinem Tod. Und auch bei ihm war es ein besonderer Hornist, der ihn inspirierte, und der das Konzert auch uraufführte: Valery Polekh war ein langjähriges Mitglied des Boshoi Orchesters. Und natürlich hatte Polekh entsprechend der Tradition auch seine eigene Kadenz für dieses Werk verfasst, die entsprechend oft erklingt, wenn es zu diesem Konzert kommt. Doch Maskuniitty lässt es sich nicht nehmen, mit einer eigenen Kadenz seine Virtuosität und reflektierende Sicht auf das Werk zu spielen.
Diese CD ist ein Kleinod in der Welt der zahllosen Einspielungen, auf denen die immer gleichen Werke erklingen. Hier kann man Musik hören, die man nicht allerorten und auf vielen CDs dargeboten bekommt. Und zudem in einer klanglich famosen Einspielung, mit Musikern, die für diese hier erklingenden Werke eine Referenzaufnahme liefern.
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