30 Jahre Naxos sind wahrlich ein hervorragender Grund, um eine Jubiläumsedition herauszugeben. 1987 von Klaus Heymann gegründet, revolutionierte das Label die Klassikwelt nachhaltig. Zum einen machte Naxos das Standardrepertoire in hochwertigen Aufnahmen einer breiten Käuferschicht dank deutlich niedriger Preise zugänglich, zum anderen bot die Plattenfirma von Anfang an jungen, talentierten Künstlerinnen und Künstlern eine Plattform, um auf sich aufmerksam zu machen, auch wenn sie nicht in den (selbst ernannten) Wiegen der westlichen Kultur aufgewachsen waren. Bei Naxos zählte von Anfang an das Talent, nicht die Herkunft des Künstlers. Im verstaubten Klassikbetrieb war dies in den 1980er Jahren keine Selbstverständlichkeit. Das größte Verdienst des Labels war es allerdings, dass es sich nicht auf das hinlänglich bekannte Repertoire beschränkte, sondern bald auch Musik von (im Westen) unbekannten Komponisten aufnahm. Die „Local Heroes“ der vergangenen und gegenwärtigen Komponistenszene erhielten endlich eine internationale Plattform mit modernen State-of-the-Art-Aufnahmen. Zeitgenössische US-amerikanische Musik, nordische Romantik, osteuropäische Musik der Moderne, Raritäten und die Perlen vergessenen Meister der Vergangenheit: Der Naxos-Katalog wuchs und gedieh und setzte auf Repertoirevielfalt statt abgegriffenem Einerlei.
„30 Years Naxos: The Anniversary Collection“ fasst 30 der besten Alben aus 30 Jahren Naxos-Geschichte zusammen. Im Handel ist die Box für ca. 30 Euro erhältlich. Ein stabiler Karton mit abnehmbaren Deckel enthält 30 (mit dem Original Front-Artwork bedruckte) Papphüllen, in denen die CDs zu finden sind. Das 36-seitige Booklet umfasst eine Einführung des Firmengründers Klaus Heymann, der die Collection persönlich zusammengestellt hat sowie detaillierte Tracklists zu den einzelnen Veröffentlichungen mit vollständigen diskografischen Angaben und kurzen Anmerkungen zur Geschichte der Aufnahme.
In der Sammlung findet man unter anderem Jenő Jandós legendäre erste Aufnahme für Naxos mit Beethovens Klaviersonaten „Pathétique“, „Mondschein“ und „Appassionata“, Maria Kliegels wundervolle Veröffentlichung mit den Cellokonzerten Dvořáks und Elgars, Boris Giltburgs phänomenale Interpretationen der „Études-tableaux“ und „Moments musicaux“ Rachmaninows, Norbert Krafts unerreichtes Album mit den Gitarrenkonzerten von Rodrigo, Villa-Lobos und Castelnuovo-Tedesco, Tianwa Yangs furiose, vielfach ausgezeichnete Sarasate-Produktion und die meistverkaufte Naxos-CD aller Zeiten: Takako Nishizakis ewig junge Aufnahme der „Vier Jahreszeiten“ Vivaldis mit der exzellenten Capella Istropolitana unter Stephen Gunzenhauser. Die Künstlerinnen und Künstler der Tracklist lesen sich wie ein Who-is-who der Naxos-Welt – und weit darüber hinaus: So sind etwa Aufnahmen der Dirigentinnen Marin Alsop und JoAnn Falletta, der Pianistin İdil Biret, des Royal Scottish National Orchestra unter der Leitung von Georg Tintner und Jun Märkl, des Detroit Symphony Orchestra unter Leonard Slatkin, des Royal Liverpool Philharmonic Orchestra unter Vasily Petrenko, des Kölner Kammerorchesters unter Helmut Müller-Brühl, des Kodály Quartets, der Violinisten Henning Kraggerud und Ilya Kaler und der Oxford Camerata unter Jeremy Summerly zu hören. Besonders erfreulich: Neben Standardwerken von beispielsweise Bach, Brahms, Bruckner, Haydn, Händel, Liszt, Mozart und Tschaikowsky enthält die Zusammenstellung auch Ungewöhnliches von Komponisten wie Daugherty, Glière und Szymanowski.
Wäre „The Anniversary Collection“ eine Popmusik-Sammlung, würde man von „No filler, only killer“ sprechen. Die Jubiläumsedition enthält 30 hervorragende und essenzielle Alben, die vielfach mit renommierten Preisen ausgezeichnet wurden und die einen exzellenten Querschnitt durch das Programm des Labels bilden, die darüber hinaus aber auch die letzten 30 Jahre der klassischen Musikproduktion nachzeichnen. Viele dieser Alben haben nicht nur Naxos-, sondern Tonträger-Geschichte geschrieben; nicht wenige der hier zusammengefassten Produktionen wurden nicht nur für ihren künstlerischen Wert, sondern auch für ihre überragende Klangregie hochgelobt.
Selbst für den ambitionierten Sammler lohnt sich die Box wegen ihrer durch die Bank überdurchschnittlichen Einspielungen und der talentierten Interpreten (ganz abgesehen von der historischen Bedeutung für den Musikmarkt der letzten 30 Jahre), für den neugierigen Einsteiger ist sie ein hochwertiger und breit gefächerter Einstieg in die Welt der klassischen Musik.
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