Dass die französische Romantik in Deutschland chronisch unterbewertet wird und viel mehr Beachtung verdiente, kann man eigentlich nicht oft genug konstatieren. Die französischen Komponisten des 19. Jahrhunderts entwickelten eine ganz eigene, zauberhafte Klangsprache, die sich hörbar von der deutschen unterscheidet. Eine Schlüsselrolle in der romantischen Musik Frankreichs kommt dabei dem Camille Saint-Saëns (1835-1921) zu. Seine fein ausbalancierten, charmanten Werke sind immer wieder eine Entdeckung wert; sein Œuvre gibt deutlich mehr her, als seine „Hits“ „Der Schwan“ aus dem „Karneval der Tiere“ und die „Orgel-Symphonie“.
Saint-Saëns’ fünf Klavierkonzerte gehören, wie so viele andere Kompositionen seines beeindruckend umfangreichen Gesamtwerks, zu den Stücken, die außerhalb seiner Heimat kaum noch aufgeführt werden. Die nach wie vor validen Referenzaufnahmen stammen aus den späten 1980er Jahren (etwa Jean-Philippe Collards Gesamteinspielung) oder sind gar noch älter (Gabriel Tacchinos immer noch sehr hörenswerte Gesamtaufnahme aus den frühen 1970ern, die allerdings „in Würde angestaubt ist“). Und so rücken Saint-Saëns’ Klavierkonzerte immer weiter in den Hintergrund.
Marc Soustrot, in Deutschland noch bestens als ehemaliger Bonner Generalmusikdirektor bekannt, und sein Malmö Sinfonieorchester haben nun einen kleinen Aufnahmezyklus begonnen, bei dem sie sich Saint-Saëns’ Klavierkonzerten widmen. Das ist hocherfreulich, legte doch dasselbe Team 2015 eine veritable neue Referenzeinspielung der Sinfonien des Pariser Komponisten vor.
Und gleich der erste Teil mit den Klavierkonzerten Nr. 1 in D-Dur, op. 17 und Nr. 2 in g-Moll, op. 22 knüpft dort an, wo man vor anderthalb Jahren bei den Sinfonien aufgehört hat: kontrastreiches, feingliedriges und kraftvolles Musizieren auf höchstem Niveau, dazu ein Solist, der sich in Saint-Saëns’ Klangwelt bestens zurechtfindet. Romain Descharmes, 2006 erster Preisträger der renommierten „Dublin International Piano Competition“, schafft es, die durchaus virtuosen Passagen glanzvoll zu gestalten, ohne sich allerdings egomanisch und aufdringlich in den Vordergrund zu spielen. Denn anders als bei vielen anderen romantischen Konzerten des 19. Jahrhunderts ist der Solist hier viel mehr in den Orchestersound eingebunden als üblich.
Soustrot und seine Schweden erweisen sich (einmal mehr) mit ihrer Sorgfalt, Liebe zum Detail und einer gehörigen Portion Elan als bestmögliche Anwälte der Musik Saint-Saëns’. Es bedarf genau dieser fein ausbalancierten Symbiose aus Präzision und Leidenschaft, um den Geist dieser Musik plastisch darstellen zu können. Hinzu kommt eine fantastische Klangregie, die den dichten, reichen, mitunter durchaus turbulent aufbrausenden Sound der Konzerte (und des Allegro appassionato in cis-Moll, op. 70) transparent und detailliert eingefangen hat. Spätestens hier müssen quasi alle vorigen Aufnahmen, so namhaft sie auch besetzt sein mögen, die Waffen strecken.
Dies ist ein vielversprechender Auftakt für eine willkommene Aufnahmereihe. Ich habe keinen Zweifel daran, dass Soustrot und das Sinfonieorchester aus Malmö den formidablen Sinfonie-Aufnahmen nun auch würdige Referenzaufnahmen der unterschätzten Klavierkonzerte Saint-Saëns’ hinzufügen werden. Weiter so!
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