Er gilt immer noch als Geheimtipp, der französische Komponist Emmanuel Chabrier. Der 1841 im französischen Ambert geborene Komponist sollte nach dem Willen seines Vaters Anwalt werden und ging somit 1856 in Paris auf die Rechtsanwaltsschule. Doch seine große Liebe galt der Musik. Er bewegte sich in den künstlerischen Kreisen von Paris, Gabriel Fauré, Ernest Chausson waren ebenso seine Freunde wie die Maler Edgar Degas und Édouard Manet, unter den Schriftstellern waren es Émile Zola und Stéphane Mallarmé. Nachdem er 1882 in London eine komplette Aufführung von Wagners „Ring“ gesehen hatte, beeindruckte ihn das so sehr, dass er beschloss, sein Leben ab sofort ausschließlich dem Komponieren zu widmen.
Nach diesem Entschluss war es kein Wunder, dass er sich erst einmal dem wichtigsten Genre zuwendete: Der Oper. Doch er benötigte einen Librettisten. Diesen fand Chabrier in den Herren Albert Vanloo und Eugène Letterier. Zwar hatten beide noch kein vollständiges Libretto fertig, aber als sie bei einem privaten Vorspiel zwei Nummern von Chabrier hörten, die dieser auf dem Klavier vorspielte, entschieden sie, dass nicht nur diese Nummern, sondern die gesamte Oper in einem Fantasie-Orient spielen solle. Diese Nummern waren auf Worte von Verlaine gesetzt, dessen Romanze „O petite étoile“ Grundlage war. Und genau so gingen sie dann auch in diese 1883 erstmals aufgeführte Oper „L’Étoile“ von Chabrier ein. Diese Oper namens „Der Stern“ sollte erst später zu wirklichen Erfolgen im Ausland führen. Und dennoch ist sie nicht Chabriers meistgespielte. Vielleicht liegt dies auch an dem Sujet, das sich wie ein Verwirrspiel in einer barocken Oper darstellt. Und trotz des deutlichen Opéra-bouffe-Effekts gibt es dunkle Momente in dieser Oper. Allerdings werden diese mit offensichtlich dunklem Humor markiert. Alles spielt im Fantasiereich von König Ouf I., der von seinem Astronomen Siroco mit dem Omen der bevorstehenden Hochzeit der Prinzessin Laoula, der Tochter seines Nachbarn König Mataquin in Zusammenhang steht. Natürlich kommt es in der Folge der drei Akte zu Verwicklungen, da Laoula von einem anderen, Lazuli, geliebt wird und ihn wiederliebt. Letztendlich geht nach vielen Umwegen alles gut für das Paar aus.
Immer wieder hat sich die Niederländische Nationaloper in den vergangenen Jahren mit ihren Produktionen hervorgetan. Und so ist es auch in dieser filmischen Umsetzung der Aufführung von Chabriers „L’Étoile“ aus dem Jahr 2014. Das Residentie Orket The Hague agiert hier unter Patrick Fournillier. Doch die Sängerriege hat man vor allem aus dem französischen Umfeld versammelt. Und das ist bei einer hochromantischen Oper aus Frankreich gut so, denn auf diese Weise glänzen vor allem die Mezzo-Sopranistin Stéphanie d’Oustrac in der Hosenrolle des Lazuli, Christophe Martagne als Ouf I. und Hélène Guilmette in der Rolle von Prinzessin Laoula in ihrer natürlichen Deklamation. In einem reduzierten Bühnenbild (Chantal Thomas) und allein mit geschickt eingesetzten Accessoires aufgewerteten agieren die Sänger – in wunderbar ausgesuchten Kostümen aus allen Zeiten und mit wunderbar überzeichneter Schminke und Frisuren – von Anbeginn deutlich humorvoll. Das ist famos gelungen und unterstreicht die Idee einer neuen Nationaloper im Stile der althergebrachten Opéra buffou. Chabrier hat es sich nicht nehmen lassen zahllose französische Idiome in seine Oper einfließen zu lassen. Wenn man genau nachdenkt, sind Opern des Buffo-Stils aus dieser Zeit eher selten. Man wollte eher das Drama, als ein zum Teil mit fast albernen Mitteln vorgebrachtes Zeitbild vor Augen geführt zu bekommen. Chabrier gelingt der Spagat, Musik zu schreiben, die so deutlich französisch ist und dennoch auf alte Vorbilder verweist, dass man fasziniert zuschaut. Welch ein amüsantes Spektakel. Wunderbar!
Auf naxos.de findet man verschiedene Bezugsquellen für die Blu-ray und DVD.
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