Die Klavierkonzerte Beethovens gehören seit rund 200 Jahren zum Kanon jedes ernstzunehmenden Pianisten. Aber was ist mit der Transkription des Violinkonzerts, das Klavierkonzert in D-Dur, das manchmal (nicht ganz korrekt) das „sechste Klavierkonzert“ genannt wird? So populär das Violinkonzert auch ist, so umstritten ist die Bearbeitung. Dabei stammt sie aus Beethovens Feder, demselben Komponisten, der fünf unumstrittene Klavierkonzerte verfasst hat. Aber es gibt Zweifel: »Die Klavierfassung erreicht jedoch nicht die Qualität des Violinkonzertes, weshalb manche vermuten, dass die Transkription nicht vom Meister selbst stammt, sondern einem seiner Schüler übertragen worden war« schreibt die Wikipedia und vorher auch zahlreiche Musikkompendien. Und wenn man es oft genug kolportiert, dann wird es fast zur Wahrheit. Aber eben nur fast.
Zumal: Bearbeitungen haben es heutzutage eh schwer. Das war früher anders, als es zahlreiche Transkriptionen für alle möglichen Besetzungen und Anlässe gab. Aber heute genießen sie ein zweifelhaftes Image: Ihnen haftet der (schale) Ruf der Imitation, des Zweitbesten an.
Die amerikanische Pianistin (mit Wohnsitz in Hannover) Claire Huangci und das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt (Oder) unter Howard Griffiths sind nun angetreten, Beethovens Bearbeitung des Violinkonzerts für Klavier vom Nimbus des Mediokren zu befreien. Das Ergebnis ist nichts weniger als eine Rehabilitierung der Transkription, die sehr wohl die Klasse und die Originalität eines “echten” Beethoven-Konzerts aufweist. Es gibt andere, deutlich ältere Einspielungen, doch keine ist klanglich und musikalisch auf dieser Höhe.
Was machen Huangci und die Brandenburger denn anders? Nun, zum einen musizieren sie auf höchstem Niveau. Zum anderen spielen sie das Konzert mit dem notwendigen Engagement, das einem Werk Beethovens gebührt. Es ist beeindruckend, wie sicher Claire Huangci bei ihrer ersten Konzerteinspielung technisch brillieren kann (bisher erschienen von ihr nur Alben mit Solostücken) und wie feingliedrig sie die zahlreichen von Beethoven neu komponierten Solopassagen spielt. Das Vorurteil sagt, dass das Konzert „unpianistisch“ sei und dass es seine eigentliche Form als Violinkonzert nicht ablegen kann. Davon ist bei Huangci nichts zu hören. Auch das Orchester aus der vermeintlichen brandenburgischen Provinz belegt, dass es sich bestens mit seinem Beethoven auskennt. Immerhin blicken die Frankfurter auf eine lange Tradition zurück: Der heute größte symphonische Klangkörper des Landes Brandenburg wurde bereits 1842 gegründet. Dass dem Orchester mit Howard Griffiths seit über zehn Jahren ein erstklassiger Dirigent vorsteht, tut dann sein übriges.
Ebenfalls auf höchstem Level wird das Klavierkonzert von zwei heute selten aufgeführten und aufgenommenen Beethoven-Werken ergänzt: die frühe „Musik zu einem Ritterballett“, WoO 1 des noch jugendlichen Beethovens von 1791 und ein heutzutage aus der Mode gekommenes Werk, „Wellingtons Sieg“, op. 91. Seinerzeit war letzteres eine der erfolgreichsten Kompositionen des Bonner Komponisten und bis in die 1970er Jahre ein beliebtes Orchesterwerk, das auf Schallplatten gerne mit anderen „Schlachtmusiken“ (etwas Tschaikowskys „Ouvertüre 1812“) gekoppelt wurde. Auch wenn der naiv-militaristische Ansatz heute vielleicht etwas verstören mag, so steckt auch in diesem Werk genügend Beethoven, um – zumindest mit solcher Grandezza musiziert – ein mitreißendes Stück musikalische Zeitgeschichte zu sein.
Ein Album mit drei viel zu selten gespielten Orchesterwerken eines Komponisten, von dem man doch alles zu kennen glaubt. „Beethoven Rarities“ ist eine schöne Bereicherung für jede ambitionierte Beethoven-Sammlung.
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