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Monat: Juni 2017

Ensemble L’Arte della Fuga: Johann Sebastian Bach – Die Kunst der Fuge – in der Fassung von Hans-Eberhard Dentler

Nahezu jedes unvollendete Werk eines großen Meisters birgt ein Geheimnis in sich: Wie hätte der Komponist das Stück zu Ende geführt und – im Falle „Der Kunst der Fuge“ Johann Sebastian Bachs – für welche Besetzung ist das Werk intendiert? Bereits kurz nach dem Tode Bachs begannen die Spekulationen und sind bis heute Gegenstand akribischer Studien und mitunter kontrovers geführter musikwissenschaftlicher Diskussionen. Eine abschließende Antwort kann es natürlich nicht geben – das liegt in der Natur der Dinge.

Arabella Quartet: In The Moment – Short Pieces for String Quartet

„In der Kürze liegt die Würze“ sagt das Sprichwort und meint den Redner, der sich besser kurzfasst, damit ihm das Publikum nicht einschläft. Was für den Redner (und hoffentlich nicht für den Blogger!) empfehlenswert ist, gilt üblicherweise nicht für das Streichquartett. Spätestens seit Haydn und erst recht seit Beethovens späten Quartetten haben Streichquartette geradezu symphonische Ausmaße angenommen. Kein Wunder, dass es immer wieder Versuche gab, das eine oder andere Werk zu orchestrieren und als Sinfonie (oder im Falle Schostakowitschs als Kammersinfonie) zu etablieren.

Giacomo Scinardo: Modest Mussorgsky – Complete Piano Works

Für mich ist Modest Petrowitsch Mussorgsky (1839–1881) der aufregendste und modernste russische Komponist des 19. Jahrhunderts. Leider zerstörte seine jahrelange schwere Alkoholabhängigkeit Stück für Stück sein überbordendes Talent. Vieles Geniale in seiner Musik blieb fragmentarisch, wurde nie zu Ende gedacht und oft genug von wohlmeinenden, aber eben andersdenkenden Komponistenfreunden (in erster Linie Nikolai Rimski-Korsakow) „zu Ende komponiert“ und „bereinigt“. Ich frage mich, welche Großtaten er noch vollbracht hätte, wäre er nicht verarmt und zunehmend durch die Alkoholsucht zerfallen. Oder spiegelt die Tragik seiner Vita sich in seiner Musik wider, sodass sie ohne dieses Unglück nicht entstanden wäre? Vielleicht passt das Fragmentarische, das ewig Unfertige seiner Musik, einfach nur gut in unsere postmodernen Zeiten.

Gulda plays Mozart and Gulda

Die aktuelle, junge Musikergeneration (und nicht nur diese) bemüht sich wieder verstärkt um etwas, was im Klassikbetrieb der letzten 100–120 Jahre zunehmend verloren ging: Improvisation. Einst ein essenzieller Bestandteil jeder musikalischen Aufführung (Mozart und der junge Bach waren berühmt für ihre Improvisationen), verlor das Improvisierte, das Spontane im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit der Musik immer mehr an Bedeutung. Gefragt waren genaue Abbildungen des Notentextes mit wenig eigener Kreativität. Ironischerweise gestand man dabei den nicht selten egozentrischen Interpreten, und hier vor allem den Pianisten, eine Menge Manierismen zu, die eigene Note (!) blieb aber verpönt. Und ein Flirt mit der U-Musik blieb, bis auf einige Operetten- und Schlager-Alben von Sängern, undenkbar. Die erhabene E-Musik war schließlich ernst und wollte nicht unterhalten.