Die Geschichte der Oper „Das Wunder der Heliane“ von Erich Wolfgang Korngold hat viele Aspekte: Es war nach den drei ersten Opern des noch fast jugendlichen Korngold ein Werk, das vom Publikum mit Spannung erwartet wurde. Doch sein Vater, der allmächtige Kritiker der wichtigsten Tageszeitung in Österreich (Neue Freie Presse), hatte gerade einen journalistischen Feldzug gegen Ernst Kreneks Oper „Jonny spielt auf“ angezettelt, so dass die neue Oper seines Sohnes bei der Uraufführung 1927 von anderen Kritikern eher skeptisch gesehen wurde.
Es ist – wie es üblich bei Korngold ist – eine „Überwältigungserfahrung“ wie Bredan G. Carroll, der wichtige Korngold-Biograph, richtigerweise sagt. Zum einen ist dies aufgrund der Schreibweise Korngold der Fall, mit der sich zu Klangrausch auftürmenden großen Orchesterbesetzung, die hier mit den Bläsern, mit zusätzlichen Schlaginstrumenten, Trompeten und Posaunen aus der Ferne, zwei Chören sowie den vielen Solistenrollen auf eine Spitze getrieben ist. Mehr als 100 Musiker sind eingebunden in das Geschehen, zusätzlich gibt es sechs Haupt- und sieben Nebenrollen. Ein an Gigantismus erinnerndes Werk.
Lange Zeit wurde diese Oper mit seinem fast mystisch-märchenhaften Sujet von der Opernwelt abgelehnt. Das Publikum verlangte in den 1920er Jahren nach realeren Stoffen und Personen auf der Bühne. Zudem wird aber auch der immense Personenapparat des Werks abgeschreckt haben. Ausgerechnet die Vlaamse Opera hatte sich dann 1970 aufgeschwungen dieses Werk dem Vergessen zu entreißen und bewies damit einmal mehr, welch innovatives Haus es ist. 1988 wurde sie von John Dew in Bielefeld wieder auf eine deutsche Bühne gebracht. Und mehr und mehr konzertante Aufführungen folgten. 1993 kam es dann auf Decca zu einer ersten Einspielung. 1928 hatte es die erste Aufführung der Oper in Berlin unter Bruno Walter gegeben, im März 2018 kehrte „Das Wunder der Heliane“ von Erich Wolfgang Korngold dann nach Berlin zurück, wo sich Christof Loy an der Deutschen Oper Berlin der Herausforderung der Inszenierung stellte.
Warum es in der Oper geht? Nun, es ist eine Art einer Verbindung von einem Kampf gegen ein totalitäres System und dem Glauben, dass die menschliche Liebe den Tod überdauert. Der Herrscher will seine Frau Heliane zur Liebe zu ihm überzeugen, die sie nicht empfindet. Daher verlangt der Herrscher, dass niemand in seinem Land glücklich zu sein hat. Als ein Fremder kommt und den Menschen Freude und Glück vermittelt, wirft ihn der Herrscher in den Kerker und verurteilt ihn zum Tode. Heliane geht zu dem Fremden und verliebt sich in ihn. Doch sie gibt sich ihm nicht hin. Als der Herrscher die nackte Heliane im Kerker sieht, ist er rasend vor Eifersucht und übergibt seine Frau dem Volk, um über sie richten zu lassen. Sie solle den mittlerweile hingerichteten Fremden zum Leben erwecken, um ihre Unschuld zu beweisen. Als die Menge sie aber hinrichten will, erwacht der Fremde von seiner Totenbahre und Heliane fällt ihm in die Arme. Der Herrscher stößt sein Schwert in Helianes Brust, doch der Fremde segnet das Volk und verbannt den Herrscher. Mit seiner geliebten Heliane steigt er in den Himmel empor.
Die Frage, die sich immer schon stellte, ist, wie man solch einen mystisch-transzendenten Stoff auf die Bühne bringt. Christof Loy hat einen Weg gefunden. Zum einen hat er die Oper ein wenig entschlackt, indem er bestimmte Stellen strich, zum anderen ließ er sich offenbar von dem Hollywood-Film „Zeugin der Anklage“ mit Marlene Dietrich inspirieren. Es geht weniger um die Umgebung, sondern um die handelnden Personen und deren Kernaussagen: Dass die sexuelle Begierde als Triebfeder für wahre Liebe dient, so dass man die Freudlosigkeit im Reich des Herrschers verbannen kann. Die Erotik ist in jedem Akt spürbar, vielleicht am stärksten in der Arie des 2. Akts „Ich ging zu ihm“ der Heliane zum Ausdruck gebracht.
Dunkel und schlicht erscheint das Bühnenbild. Im ersten Akt, in dem Brian Jagde als Fremder eine unfassbare Leistung erbringt, da er jede Szene zu singen hat, ist der einzige „Lichtblick“ das Auftauchen der Heliane, die von Sara Jakubiak gesanglich mit großartigem Ausdruck dargestellt wird. Ja, auf diese Weise funktioniert der fast mystisch-ideologische Stoff wunderbar, denn es geht um die Aussage, um die Musik selbst in der Darstellung von Loy. Es gibt keine Ablenkung durch Kostüme oder Szenerie. Dabei vermisst man nichts, denn die reichhaltige Instrumentation Korngolds und der intensive Ausdruck des Gesangs reichen für die dramatische Steigerung absolut aus. Da stört es auch nicht, dass alle Kostüme, außer dem der Heliane, in Schwarz gehalten sind. Die Handlung, so wenig sie für damals und heute zeitgemäß im Detail erscheinen mag, spitzt sich zu und wird im Kontext aller am Ende beständig auf der Bühne agierenden Personen zu einem ebenso intensiven Erlebnis wie die Musik. Die Sänger wie das Orchester der Deutschen Oper Berlin unter der Leitung von Marc Albrecht leisten Erstaunliches in dieser Inszenierung.
All das lässt ich nun auf DVD oder noch besser auf BluRay von Naxos erleben.
Endlich ist diese Oper szenisch in einer großartigen, einer zu Recht auf die Musik konzentrierten Aufführung zu erleben. Diese Aufführung setzt in jeder Hinsicht neue Maßstäbe für Korngold und diese Oper; zudem wirft sie nochmals ein neues Licht auf den Komponisten Erich Wolfgang Korngold und zeigt, welch famoser Opernkomponist er ist.
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