Die Form des Oratoriums hatte es als Gattung nach Haydn nicht leicht, um auf das Publikum zu begeistern. Das Operngeschäft hatte mit den wegweisenden Werken von Haydn und Mozart diese religiös inspirierte Form als dramatisches Gesangswerks vollends abgelöst. Doch gut ist es, dass man sich im Vorfeld an das Jahr 2020, in dem man den 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven feiert, auch wieder der weniger bekannten Werke aus der Feder des Bonners erinnert, so auch an das Oratorium „Christus am Ölberg“. Entstanden ist es um das Jahr 1803, scheinbar auch im Umfeld des berühmten „Heiligenstädter Testaments“, in dem Beethoven der Welt mitteilt, dass er sich aufgrund seines Hörleidens in sich selbstgekehrt und sich gesellschaftlich vereinsamt empfindet. So wundert es nicht, dass er kein anderes Bibelthema wählt, als Christus in der Nacht am Ölberg, die diesen ebenso in gesellschaftlicher Isolation zeigt.
Es ist eines der wenigen Werke Beethovens für Orchester und Stimmen. Umso mehr hat man sich kritisch mit diesem Werk befasst, es analysiert und es ebenso mit den zur gleichen Zeit entstandenen Opern von Mozart verglichen, wenn es um die dramatische Ausformung geht. Aber es ist und bleibt Beethoven, der immer neue Wege ging … auch in diesem Oratorium. Wohl kaum ein anderer hätte eine Szenerie von nur drei Personen gewählt. Dass man im Text von Franz Xaver Huber sicherlich nicht lange nach Schwächen suchen muss, ist Fakt. Dass man Beethoven nun aber vorwerfen will, dass er für die dramatische Fortschreitung neben den handelnden Personen Christus und Petrus einen Seraph hinzunimmt, der den Menschen die Handlung erklärt, ist ein wenig zu weit gehend. Hier und da mag man auch den Eindruck gewinnen, dass die Schreibweise für die Sänger manchmal ein wenig forciert wirkt, aber das Hauptthema: Tugend, Bildung, Zügelung der Leidenschaften, also zentrale Themen der Aufklärung, stehen vollkommen im Mittelpunkt. Und genau damit ist dieses Oratorium auch ein Werk seiner Zeit, denn die Aufklärung hatte auch die Gesellschaft in Österreich erfasst. Und Beethoven war nun einmal ein aufklärerischer Geist. Vielleicht beweist er mit diesem Werk „Christus am Ölberg“ – ebenso wie in seiner grandiosen 9. Sinfonie – in seiner Aussagekraft, dass er ein die Menschen beeinflussender Geist sein wollte.
Zu Lebzeiten war Beethovens Oratorium ein vielfach aufgeführtes Werk. Doch es geriet fast in Vergessenheit, auch da das Genre Oratorium einen Geschmack des Althergebrachten in sich trug.
Nur wenige haben sich in den vergangenen Jahren daran gemacht, dieses Werk einzuspielen. Und nun kommt der Finne Leif Segerstam mit seinem Sinfonieorchester aus der Stadt Turku daher und hat dieses Werk aufgenommen. Und das zu Recht, denn dieses zu wenig gehörte Oratorium von Beethoven offenbart eine andere Seite des großen Meisters, die eindringlich-religiöse, die tief ergriffene Seite. In „Christus am Ölberg“ kommt diese erschütternde Seite deutlich zum Vorschein. Segerstam arbeitet die emotionalen Aussagen faszinierend mit seinem Orchester heraus. Jussi Myllys als Christus, Niklas Spanberg als Petrus und Hanna-Leena Haapamäki als Seraph vermögen die Aussagen in den zum Teil schwierigen gesanglichen Partien famos umzusetzen.
Noch seltener als Beethovens Oratorium wird dessen „Elegischer Gesang“ Op. 118 eingespielt oder aufgeführt. Geschrieben 1814 als Erinnerung an die mit 24 Jahren verstorbene Gattin des Baron von Pasqualati, Eleonore von Pasqualati, ist es eine Art eines Epigramms. Beethoven zeigt sich in seiner ganzen musikalisch-darstellerischen Stärke, denn er empfindet die Trauer und den Schmerz famos nach, steigert das elegisch-expressive des Texts bis zu einem Höhepunkt faszinierend in einem motettisch-klassizistischen Stil. Und auch hier sind Segerstam und seine Mitstreiter
Diese CD bringt einen wunderbaren Blick auf unbekannteres Repertoire für das kommende Gedenkjahr zu Beethovens 250. Geburtstag und das noch in einer so brillanten Einspielung, die man den Finnen vielleicht nicht zugetraut hätte, die den Zuhörer aber dieses Vorurteil überdenken lassen.
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