Die letzte Besprechung des Jahres gebührt einem Klassiker (im wörtlichen Sinne). Auf den Konzertbühnen und in den Diskografien sind Ludwig van Beethovens Konzerte populäre Dauerbrenner. Sie decken zumindest zwei der drei Kompositionsphasen Beethovens ab, die frühe und die mittlere. Die fünf Klavierkonzerte, das Violinkonzert und die beiden Romanzen sowie das Tripelkonzert sind dennoch authentischster Beethoven, Highlights in seinem Repertoire, die seine stete Entwicklung und sein Genie exemplarisch abbilden.
Als ich als Jugendlicher Ende der 1980er Jahre begann, ernsthaft in die klassische Musik einzutauchen, war die Musik Beethovens immer ein Erlebnis. Von meinem schmalen Studenten-Budget kaufte ich mir gerne die preiswerten Naxos-CDs, die neben guten Aufnahmen in bester digitaler Qualität auch sehr aufschlussreiche Booklets umfassten. Zu meinen Lieblingsalben jener Tage gehörte Stefan Vladars Aufnahme der Klavierkonzerte Nr. 3 und 4 (mit der Capella Istropolitana unter Barry Wordsworth). Sein federleichtes, wendiges Spiel, das die fingerbrecherischen Sololäufe so spielerisch leicht wirken ließ, war einfach phänomenal. All die Jahre maß ich Solisten dieser Konzerte an Vladars letztlich unverwechselbarer Leichtigkeit.
Fast 30 Jahre nach den Aufnahmen in der ehrwürdigen Konzerthalle der slowakischen Philharmoniker in Bratislava nahm Stefan Vladar noch einmal die fünf Klavierkonzerte auf. Dieses Mal wirkte er nicht nur als Solist, sondern auch als Dirigent. Das Mammutprogramm umfasste nicht nur die fünf Klavierkonzerte, sondern auch das Tripelkonzert, das Violinkonzert und die beiden Violinromanzen. Als Solistin an der Violine konnte er niemand Geringeres als Isabelle van Keulen gewinnen; beim Tripelkonzert spielt neben Vladar und van Keulen der Cellist Julian Steckel. Als Orchester ist das Wiener KammerOrchester zu hören, dass sich seit 1946 im Wiener Musikleben als eine feste Größe neben den „großen Orchestern“ der Stadt etabliert hat.
Stefan Vladar hat sein Handwerk beileibe nicht verlernt, im Gegenteil: Er spielt immer noch perlend, leicht und fließend. Das Wiener KammerOrchester ist hörbar in seinem ureigensten Element und erlaubt etwas zügigere Tempi (im Vergleich zur alten Aufnahme) bei gleichzeitiger erhöhter Transparenz. Überhaupt wirken diese Neuaufnahmen erfreulich luftig und entstaubt, sicher auch dank der guten Klangregie des Capriccio-Teams. Vladar holt Beethoven vom Sockel und spielt ihn zwar klassisch virtuos, insgesamt aber bemerkenswert unverkrampft. Für Vladar sind die Klavierkonzerte eher eine Form „erweiterter Kammerkonzerte“ denn rein orchestrale Werke, was musikhistorisch zwischen den barocken Solokonzerten und den opulenten romantischen Virtuosenkonzerten durchaus Sinn ergibt.
Nicht nur die Klavierkonzerte sind ein Hörvergnügen, auch das oft vernachlässigte Tripelkonzert und das Violinkonzert sind erfreuliche Highlights. Bei letzterem glänzt Isabelle van Keulen als überragende Solistin, beim Tripelkonzert überzeugt Julian Steckel mit mitreißendem Spiel und edlem Klang. Insgesamt fällt die klassische Ordnung bei Orchester und Solisten sehr positiv auf. Romantische Einfärbungen sucht man hier vergeblich. Kristallklar und jeden Ton respektierend spielen Vladar, van Keulen und Steckel ihre solistischen Ausflüge, der Gesamtklang bleibt aber dank des Kammercharakters des Ensembles insgesamt akzentuiert und wenn nicht wirklich intim, dann doch zumindest erlesen. Man fühlt sich so, als wäre man ein Teil einer auserwählten Gruppe, die zu einem Privatkonzert geladen wurde.
Fazit: Eine valide und als Zyklus stringente Deutung der Konzerte Beethovens, auf modernen Instrumenten zwar, aber durchaus schlank und klassisch gehalten. Mehr als einmal wähnt man sich in einem kleinen Salon unter Connaisseurs. Stefan Vladar und seine Mitstreiter präsentieren einen rundum gelungenen „Wiener“ Beethoven-Zyklus, der erfreulicherweise auf die Breite und Behäbigkeit manch einer größeren Produktion verzichtet.
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