Die in mehreren Volumen angelegte „Michael Gielen Edition“ ist das überwältigende künstlerische Vermächtnis des im Oktober 2014 von seiner aktiven Laufbahn zurückgetretenen Dirigenten. Über viele Jahrzehnte prägte Michael Gielen die Spielkultur der „öffentlich-rechtlichen“ Klangkörper Südwestdeutschlands: Vor allem das (mittlerweile in dieser Form nicht mehr existierende) SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg gelang durch seine Arbeit an die Weltspitze. Während ihm die Anerkennung durch die breite Öffentlichkeit in Deutschland verwehrt blieb, wo man drüben Masur und hüben Karajan, aber eben nicht Gielen verehrte, galt und gilt er jenseits der Grenze, speziell in Asien, als einer der allergrößten seiner Zunft.
»Ich bin altmodisch und bleibe modern«, hat der in Dresden geborene Maestro mal gesagt. In diesem scheinbaren Widerspruch, der Tradition und Fortschritt vereint, liegt das Geheimnis der zeitlosen, radikal am Notentext orientierten Interpretationen. Nach der Wiener Klassik und Romantik (Vol. 1, SWR19007CD) und den Sinfonien Bruckners (Vol. 2, SWR19014CD) liegt nun mit dem dritten Teil der Edition der vollständige Brahms-Sinfonienzyklus vor. Dieser wird durch die Tragische Ouvertüre in d-Moll, die Haydn-Variationen, das Schicksalslied für Chor und Orchester, das Klavierkonzert Nr. 1 in d-Moll, das Doppelkonzert in a-Moll und (last but not least) durch die wundervolle Schönberg-Orchestrierung des Klavierquartetts Nr. 1 in g-Moll ergänzt.