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Nicolas Horvath: Erik Satie – Complete Piano Works · 1 – New Salabert Edition

Auch fast 100 Jahre nach dem Tode Erik Saties scheint seine Musik aufregend aktuell und einzigartig wie eh und je. Seine einfache, klare, nicht selten ironische oder zumindest surreale Musik bleibt in ihrer Schlichtheit ein Fixpunkt für die Moderne. Bereits John Cage sah in ihm einen Wegbereiter der Neuen Musik. Später bezogen sich die Komponisten der Minimal Music und aktuell die der Postmoderne auf seine schlichten Formen und seine bewusst reduzierte Klangsprache.

Anklicken, um Bezugsquellen angezeigt zu bekommen.So aktuell, wie für die Komponisten der nachfolgenden Generationen war und ist Erik Satie auch für die Interpreten: Rund ein Dutzend Gesamteinspielungen seines Klavierwerks (das wiederum den Großteil seines Œuvres ausmacht) tummeln sich derzeit auf dem Markt: Von Reinbert de Leeuw über Aldo Ciccolini bis Jean-Yves Thibaudet haben sich immer wieder anerkannte und ungewöhnliche Künstler der selten technisch anspruchsvollen Musik Saties gewidmet. Es mangelt also eigentlich nicht an guten Satie-Aufnahmen (zumal seine bekanntesten Werke, etwa die „Gymnopédies“ und die „Gnossiennes“ in zahllosen Einzelaufnahmen zusätzlich erhältlich sind). Ich schreibe „eigentlich“, weil der erste Teil der geplanten Gesamteinspielung des Satie’schen Klavierwerks des monegassischen Pianisten Nicolas Horvath sich von den anderen Aufnahmen klanglich und interpretatorisch deutlich abhebt.

Um es auf eine Formel zu bringen: Horvath schlägt ein neues Kapitel in der Satie-Rezeption auf. Dies hat drei Gründe: Zum einen wird es die erste Gesamtaufnahme nach der neuen, kritischen Salabert-Notenausgabe sein. Diese versucht Saties vollständige Musik für Soloklavier zusammenzufassen, was einige frühe Arien-Bearbeitungen, kleinere unvollständige Fragmente, die Musik zu vier Händen und die Liedbegleitungen ausschließt, andererseits aber einige erste Fassungen von später radikal umgearbeiteten und „neu geschriebenen“ Stücken enthält. Das Album beinhaltet einige Weltersteinspielungen und einige Premieren der (deutlich revidierten) Fassungen, die erstmalig in der Salabert-Edition von 2016 erschienen.

Des Weiteren hat Nicolas Horvath das Instrument mit Bedacht ausgewählt. Der erste Teil der Gesamtaufnahme enthält Kompositionen, die zwischen 1884 und 1893 entstanden. Als Instrument wählte man einen Erard-Flügel von 1881 (der einst Cosima Wagner gehörte). Man weiß von Saties Präferenz für dieses Instrument durch ein von Picasso entworfenes Festival-Poster von 1920. Ausdrücklich bat Satie den Maler „Piano
Erard“ unten auf dem Plakat einzufügen. Der silbrig-helle Klang des Erards mit seiner kürzeren Resonanzzeit (im Vergleich zu den modernen Konzertflügeln von Steinway, Bösendorfer usw.) verleiht den ohnehin „luftigen“, schnörkellosen Kompositionen Saties noch eine zusätzliche Transparenz und entromantisiert sie (was sicher im Sinne des Komponisten war).

Last but not least ist es Horvaths feingliedriges Spiel selbst, das diese erste CD der Gesamtaufnahme so interessant macht. Seine Meriten als Interpret von sowohl Liszt als auch Glass mögen eine gute Vorbereitung für diesen Satie-Zyklus gewesen sein. Im Spannungsfeld zwischen (verblühender) Romantik und Minimal Music nimmt Saties Musik eine Sonderrolle ein, die eine Ära abschließend, die andere visionär vorausahnend. Horvaths Spiel spiegelt diese ästhetische Kontroverse wider und trägt dabei Saties leiser Ironie Rechnung. Er verzichtet auf romantisierende Überspitzungen ebenso wie auf minimalistische Perkussivität und spielt mit einer bemerkenswerten Distanz, die gleichermaßen kühl und surreal wirkt.

Ein starker Auftakt einer Aufnahmereihe, der Saties Musik klanglich und interpretatorisch neu inszeniert und dazu noch mit einigen Raritäten aufwartet, die man bei anderen Gesamtaufnahmen nicht findet. Das Artwork zeigt bereits die bald erscheinenden („Coming soon“) Volumen 2 und 3 der Reihe. Man darf also hoffen, dass wir nicht allzu lange auf mehr Musik in dieser aufregenden Gesamtaufnahme warten müssen.

Auf naxos.de findet man verschiedene empfehlenswerte digitale und physikalische Bezugsquellen.

Published inAlben vorgestellt

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