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Albrecht Mayer spielt Pēteris Vasks: das Konzert für Oboe und Orchester als Hymne auf Lettland

Wie lässt sich in der Kunstmusik ein Klang schaffen, der sinnbildlich für eine ganzen Nation steht? Smetanas „Má Vlast“ oder “Finlandia” von Jean Sibelius sind nur zwei Beispiele von vielen, und auch bei Pēteris Vasks (*1946) spiegelt sich eine enge Verbundenheit zu seiner Heimat Lettland in seiner Musik wider. Daher verwundert es kaum, dass das Latvijas Nacionālais simfoniskais orķestris gerade ihn mit der Komposition eines Werkes zur Feier der 100-jährigen Unabhängigkeit Lettlands beauftragte. Entstanden ist ein dreisätziges Konzert für Oboe und Orchester, das eine atmosphärische und pastorale Hymne auf Vasks‘ Heimat wurde, denn, so schrieb er selbst:

„Ich habe versucht, das Werk mit meiner Idee und meinem Gefühl der unerschöpflichen Natur und dem festen Glauben meines Volks zu verbinden.“ (Zitat von https://de.schott-music.com/werk-der-woche-peteris-vasks-konzert-fur-oboe-und-orchester)

Als Solisten konnte Vasks niemand Geringeren als Albrecht Mayer für die Uraufführung gewinnen – einen der bekanntesten zeitgenössischen Oboisten und Exklusivkünstler der Deutschen Grammophon. Mayer wiederum hatte sich bereits seit langem ein Werk für Oboe von Vasks gewünscht. Am 5. Oktober 2018 führte das Latvijas Nacionālais simfoniskais orķestris unter der Leitung von Andris Poga das Konzert mit Albrecht Mayer in der Gildenhalle Riga zur Eröffnung der neuen Spielzeit auf.

Bei unserem Label Ondine ist eben dieses Konzert für Oboe und Orchester nun erstmalig erschienen – und zwar in der Besetzung der Uraufführung! Auf dem Album finden sich zudem mit Vēstījums (Botschaften) und Lauda (Lobgesang) zwei Orchesterwerke Vasks‘ aus den 1980er Jahren – somit aus den letzten Jahren unter der Sowjetbesatzung, als sich in Lettland die friedvolle Resistenz gegen die russische Besatzung bereits manifestierte.

Über sein Konzert für Oboe und Orchester sagt Vasks:

„Mein Konzert besteht zwar klassisch aus drei Sätzen, sie folgen aber keiner klassischen Idee: Der erste Satz ist ein Morgenpastoral, der zweite eine feierliche Szene, der dritte ein Abendpastoral.“ (Zitat von https://de.schott-music.com/werk-der-woche-peteris-vasks-konzert-fur-oboe-und-orchester).

Tatsächlich heben sich die beiden sphärischen Pastoralsätze, die das Werk umrahmen, vom Charakter stark vom tänzerischen Mittelsatz ab. Der lyrische Eröffnungssatz mit seinen ausgedehnten Kantilenen in der Oboe lässt vor dem inneren Auge einen Morgen in der (lettischen) Natur entstehen – die begleitenden Streicher- und Holzbläsertremoli muten wie Vogelgezwitscher an. Im tänzerisch gehaltenen Mittelsatz sticht neben melodieseligen Arioso-Passagen besonders markant die ausgedehnte Kadenz hervor. Der letzte Satz findet nach dramatischen Passagen den pastoralen Charakter des ersten Satzes wieder. Einerseits ist es also die lettische Natur, der Vasks in seinem Oboenkonzert eine Hommage geschrieben hat, andererseits beschreibt Vasks sein Werk folgendermaßen:

„Das Konzert könnte für ein Menschenleben stehen mit seinem Beginn, der Zeit der Reife und ihrem Fortgang“ (https://www.ondine.net/?lid=en&cid=2.2&oid=6776).

Vasks Tondichtung Vēstījums (1982) für zwei Klaviere, Streicher und Schlagwerk gehört zu seinen frühen Werken. Auch darin beschäftigt er sich damit, “wie ausnehmend schön die Welt ist und was wir, in unserer Hybris, mit ihr anstellen” (https://www.ondine.net/?lid=en&cid=2.2&oid=6776). Seine Komposition schöpft aus dem Vollen: Geheimnisvoll-flirrende Passagen wechseln sich ab mit melodisch-schwelgenden und spannungsgeladen-dissonanten Abschnitten – alles ist fließend und scheint immer wieder neu zu entstehen.

Lauda (1985) für Sinfonieorchester wiederum entstand ursprünglich für die Feier des 150. Todestag des lettischen Volkskundlers und Schriftstellers Krišjānis Barons. Barons hatte zwischen 1894 und 1915 über 200.000 traditionelle Volkslieder, auch “Dainas” genannt, aus dem lettischen Sprachraum systematisch gesammelt und veröffentlicht – in einer Zeit, in der die mündliche Tradierung der Lieder immer mehr abnahm. Im Hinblick auf die Unterdrückung der lokalen Sprachen und Kulturen während der Sowjetzeit manifestiert sich somit in Lauda Vasks Form des geistigen Protests gegen die ebendiese Besatzung: Wie der Titel schon sagt, ein Lobgesang auf die lettische Kultur und Tradition (https://www.ondine.net/?lid=en&cid=2.2&oid=6776).

Pēteris Vasks
Oboenkonzert, Vēstījums, Lauda
Albrecht Mayer, Oboe
Latvian National Symphony Orchestra, Andris Poga
ODE1355-2


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Published inGrenzüberschreitend

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