Im Rahmen der Festlichkeiten „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ fand am 30.04.2022 in der Blumenthal-Akademie des Jüdischen Museums Berlin ein Podiumsgespräch statt, in dessen Zentrum die Oper „Der Künder“ von Antal Doráti stand.
An diesem Abend wurde sowohl die Werkausgabe Martin Bubers vorgestellt, als auch Klangbeispiele aus der Ersteinspielung der Oper auf CD und Ausschnitte aus dem begleitenden Dokumentarfilm von Reinhold Jaretzky präsentiert. Unter der Moderation von Harald Asel, Musikkritiker und Kulturredakteur des rbb, trafen sich Heike Breitenbach, Mitarbeiterin der Buber-Gesamtausgabe, und Buber-Expertin Yemima Hadad der Universität Leipzig zum Austausch über die Theaterschriften Martin Bubers sowie im zweiten Teil Martin Fischer-Dieskau, Dirigent und Initiator der Opernproduktion, im Gespräch mit Yuval Oren, Protagonistin aus der Reihe der Künder-Interpreten. Den Abschluss bildeten Filmausschnitte, die der Dokumentarfilmer Reinhold Jaretzky zur Entstehung der Oper und ihrer Einspielung gedreht hatte.
Martin Buber war einer der einflussreichsten und kreativsten jüdischen Denker des 20. Jahrhunderts. Seit kurzem liegt die Werkausgabe aller seiner Schriften in 21 Bänden vor, darunter auch ein Mysterienspiel über den Propheten Elijah, der in der jüdischen Tradition eine besondere Rolle spielt. Dieses Mysterienspiel inspirierte den ungarisch-amerikanischen Dirigenten und Komponisten Antal Doráti zu seiner Oper „Der Künder“. Wie Bubers „Elija“ wurde auch sie nie aufgeführt.
In seiner Elias-Geschichte manifestiert Buber die Leitidee von der „Tat“ (im Sinne von einem bewussten Bekenntnis zum einzigen Gott) als eine der drei Säulen eines erneuerten, mystizistisch geprägten Judaismus. Antal Doráti greift den Gedanken für seine Oper auf, in dem er an zentraler Position in der Oper Elias‘ Ermahnung an das um Regen flehende Volk platziert. Das Bekenntnis zum wahren Gott ist nichts anderes als die Forderung zur Tat: „Ihr könnt nicht Gott und Götzen zugleich dienen. Ist der Herr der wahre Gott, so haltet euch an ihn, so möget ihr ihm folgen.“
„Der Künder“ – im Englischen von Doráti als „The Chosen“ übersetzt – ist das einzige Bühnenwerk von Antal Doráti, der einem interessierten Publikumskreis als einer der einflussreichsten Dirigenten des 20. Jahrhunderts bekannt ist.
Selbstverständlich rücken sowohl das Sujet als auch das religiös-philosophische Libretto Dorátis musikalisches Drama formal in die Nähe eines Oratoriums. Doráti selbst bezeichnete sein Werk aber als „Oper“. Typische Element und musikalische Stilmittel im Künder sind z.B. sinfonische Intermezzi wie bei Leoncavallo oder Mascagni, an Strawinsky anlehnende Rhythmik und französisch impressionistische Klangfarben. Dass auch vereinzelt kleine Parallelen zu Richard Strauss oder Erich Wolfgang Korngold aufscheinen, ist auf Dorátis intensiver Beschäftigung mit der großen Musikliteratur als Dirigent zurückzuführen. Als Kenner der Werke weiß er wirkungsvoll zu komponieren.
Martin Fischer-Dieskau, internationaler Dirigent und Wissenschaftler, wurde von seinem einstigen Mentor Doráti seinerzeit noch persönlich auf dieses bereits 1984 in seinen Grundzügen vollendete Opus Magnum aufmerksam gemacht und initiierte nun die Weltersteinspielung des Werks in Kraków (Krakau). Ihm zur Seite steht ein erstklassiges Sänger-Ensemble mit Tomasz Konieczny, Rachel Frenkel und Michael Schade in den Hauptrollen sowie das Orchester der Beethoven Akademie Kraków und der Chor des Teatr Wielki aus Poznań (Posen).
Der Dokumentarfilm von Reinhold Jaretzky, der in Ausschnitten an diesem Abend im Jüdischen Museum gezeigt wurde, gibt einen großartigen Blick auf den Philosophen Martin Buber, die Ideen des Komponisten Antal Doráti und das einmalige Engagement aller Musikerinnen und Musiker bei der Aufnahme der Oper. Eindrucksvolle Bilder sowie Statements von Künstlern und Wegbegleitern Dorátis erzählen ein Stück Zeitgeschichte.Eine TV-Ausstrahlung oder eine Aufführung in ausgewählten Kino-Sälen ist in Planung.
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