Am 28.05.2021 startete das Label Bayerische Staatsoper Recordings – kurz BSOrec – mit der Veröffentlichung seines ersten Albums. Das Bayerische Staatsorchester spielt unter der Leitung seines scheidenen GMD Kirill Petrenko die Sinfonie Nr. 7 von Gustav Mahler.
Guido Gärtner, Geiger im Bayerischen Staatsorchester, organisiert und verantwortet als Geschäftsführer der Bayerisches Staatsorchester Konzert GmbH seit 2012 die außerdienstlichen Projekte und Orchestertourneen des Staatsorchesters. Er leitet in dieser Funktion zudem das hauseigene Label der Staatsoper: Bayerische Staatsoper Recordings und blickt für uns hinter die Kulissen.
Naxos: Herr Gärtner, die Bayerische Staatsoper gilt als renommiertes Opernhaus mit einer langen Historie. Große Dirigenten und weltberühmte Künstler gehen ein und aus und haben ihre Spuren hinterlassen. Dies ist bereits eine vielfältige Geschichte. Nun gehen Sie in die Offensive und starten ein Label – physisch und digital, regional und weltweit – was hat Sie dazu bewogen?
GG: Es geht in erster Linie darum, das Haus als künstlerische Institution mit all seiner Exzellenz einem noch größeren Publikum zugänglich zu machen und damit seine Sichtbarkeit zu vergrößern. Die Bayerische Staatsoper ist eine unglaublich produktive und vielseitige Kulturinstitution. Das reicht von der Oper und Sinfoniekonzrten, über das Kinder- und Jugendprogramm bis hin zu Liederabenden und Kammermusik, jeweils in der ganzen Breite des Repertoires und damit auch aller Epochen und Stilrichtungen. Diese enorme Vielfalt abzubilden und nach außen zu tragen – das ist das große Anliegen unseres Labels. Darüberhinaus steht hinter der Labelgründung aber natürlich auch der strategische Gedanke, die mediale Verwertung der künstlerischen Inhalte des Hauses selbst in die Hand zu nehmen. In der heutigen Zeit stehen dabei nicht primär kommerzielle Interessen im Vordergrund, sondern vor allem der Wunsch, die Rechte am Haus zu bündeln und die Inhalte medial selbst zu steuern und zu kuratieren.
Naxos: Das Label wird also künstlerische Höhepunkte aus der Staatsoper abbilden, den Anfang macht dabei nun ein Konzertmitschnitt des Bayerischen Staatsorchesters mit der 7. Sinfonie von Gustav Mahler. Warum startet das Staatsopern-Label mit einer Sinfonie?
GG: Dass wir als erste Veröffentlichung des neuen Labels der Staatsoper ausgerechnet eine Sinfonie gewählt haben, ist kein Zufall. Das Staatsorchester ist in erste Linie weltberühmt als Opernorchester – und international weniger bekannt als sinfonischer Klangkörper. Das möchten wir ändern. Denn die sinfonische Tätigkeit spielt für das Orchester eine gleichermaßen wichtige Rolle. Es blickt hier auf eine große Tradition zurück, die ihre Ursprünge in der Gründung des Vereins der Musikalischen Akademie im Jahr 1811 hat. Schon damals war es das Anliegen der Hofmusiker, an den opernfreien Tagen Konzerte spielen zu dürfen. Mit dieser Bitte ist man an den König herangetreten, und Max Joseph II. hat bereitwillig zugestimmt. Mit der Musikalischen Akademie war zugleich die erste öffentliche Abonnement-Konzertreihe in München gegründet: Die Akademiekonzerte, die seither und bis heute einen wesentlichen Beitrag zum Münchner Musikleben leisten. Die sinfonische Tätigkeit macht also einen großen Teil der Identität und des künstlerischen Selbstwerts des Bayerischen Staatsorchesters aus.
Naxos: Es ist bekannt, dass Kirill Petrenko Aufnahmen grundsätzlich eher zurückhaltend gegenübersteht. Warum hat er bei diesem Mitschnitt seine Zustimmung gegeben?
GG: Ich vermute, dass für Kirill Petrenko der Live-Moment etwas ist, das man durch nichts ersetzen kann. Er bedeutet die Einmaligkeit eines musikalischen Erlebens. Diese Einmaligkeit ist ja auch der eigentliche Zauber eines Konzerts. Die Tatsache, dass Kirill Petrenko nun genau diesen Mitschnitt der 7. Sinfonie von Gustav Mahler veröffentlicht sehen möchte, unterstreicht daher nochmals, dass diese Aufnahme einen besonderen und exemplarischen Moment im gemeinsamen Wirken von Orchester und Dirigent abbildet. Dass wir diesen festgehalten haben und nun veröffentlichen können, freut das Bayerischen Staatsorchester daher natürlich besonders.
Naxos: Schon im Sommer dieses Jahres wird eine zweite Aufnahme veröffentlicht. Korngolds „Die tote Stadt“ in der Inszenierung von Simon Stone. Es wird – um mit Ihren Worten zu sprechen – die Bandbreite der Bayerischen Staatsoper in bester Manier veröffentlicht und zwar als DVD und Blu-ray. Die Aufführung bekam 2019 viel Applaus auch von seiten der Kritiker und ist sicher ein Genuß für alle Opernfreunde. Wie kam diese audiovisuelle Veröffentlichung zustande?
GG: Wir haben das große Glück, den Auftakt unseres Labels mit zwei Veröffentlichungen begehen zu können, die einerseits das Niveau und die Vielseitigkeit der Staatsoper eindrucksvoll widerspiegeln, andererseits aber auch die Ära von Nikolaus Bachler und Kirill Petrenko exemplarisch dokumentieren. Was wir auch sogleich aufzeigen: Bayerische Staatsoper Recordings ist kein reines Audio-Label, sondern verschreibt sich auch dem Audiovisuellen. Das liegt nahe, denn dem Gesamtkunstwerk Oper wird letztlich nur eine Darstellung in Bild und Ton annähernd gerecht.
Die Produktion von Die tote Stadt hat im Dezember 2019 Premiere gefeiert – hochkarätig besetzt mit Marlis Petersen und Jonas Kaufmann, zudem auch hier mit Kirill Petrenko als Dirigent. Tatsächlich war aber ursprünglich nicht vorgesehen, die Produktion aufzuzeichnen und zu dokumentieren. Während der ersten Vorstellungs-Serie waren dann aber alle Beteiligten so begeistert von der Inszenierung und dem künstlerisch-musikalischen Ergebnis, dass unweigerlich die Frage aufkam: Können wir diese Produktion und diesen Moment nicht festhalten? So verdanken wir diesen Mitschnitt letztlich also vor allem den Künstlern selbst.
Naxos: Die ersten beiden Produkte des Labels BSOrec stammen aus der Ägide um Kirill Petrenko. Können Sie uns einen kleinen Ausblick geben in die weitere Planung des Labels, in weitere Veröffentlichungen?
GG: Was in diesem Jahr noch folgt, ist die erste Veröffentlichung mit unserem zukünftigen GMD Vladimir Jurowski, der seine Position an unserem Haus im September 2021 antreten wird. Der Audio-Konzertmitschnitt ist im vergangenen Jahr entstanden, und zeigt für mich auch einen wichtigen Aspekt dessen, wofür Vladimir Jurowski steht: spannende und kluge Programme, mit bewussten dramaturgischen Brüchen, die aber gleichermaßen auch einen großen Bogen schlagen. Wie eben im Oktober 2020, als wir im Akademiekonzert der zweiten Sinfonie von Beethoven Brett Deans Orchesterstück „Testament“ gegenüber gestellt haben, das der australische Komponist nach der Beschäftigung mit Beethovens Heiligenstädter Testament geschrieben hat.
Naxos: Sie haben bereits angesprochen, dass es für das Label sehr wichtig ist, Live-Aufnahmen zu veröffentlichen. Was macht eine Live-Aufnahme aus – wo liegen die Vorteile?
GG: Das Label BSOrec soll exemplarisch sichtbar machen, was an der Bayerischen Staatsoper Abend für Abend geleistet wird und Höhepunkte, vor allem aber auch einfach die Werke und musikalischen Momente, die uns wichtig sind, abbilden. Es geht dabei nicht vordergründig um Perfektion oder eine technische Reinheit. Man soll hören und erleben können, dass es live ist. Dazu gehören Klappen- oder Atemgeräusche aus dem Orchester, oder vielleicht auch ein Blättern der Noten genauso wie die hör- und damit auch spürbare Präsenz unseres Publikums im Saal.
Naxos: Herr Gärtner, wir bedanken uns sehr herzlich für das Gespräch und wünschen dem Label BSOrec einen fulminanten Start sowie viele weitere spannende Aufnahmen.
GG: Ich habe zu danken – wir freuen uns sehr, dass wir mit Naxos einen weltweit so starken und uns so zugewandten Vertriebspartner gefunden haben. Die Kooperation übrigens liegt im wahrsten Sinne des Wortes nahe: Die Werkstätten der Bayerischen Staatsoper liegen nur einen Katzensprung entfernt des Firmensitzes von Naxos Deutschland.
Für weitere Informationen: www.staatsoper.de/recordings
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