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Blick auf „amerikanische“ Violinkonzerte: Bernstein – Korngold – Rózsa

Es gehört schon eine große Portion an Willen, Entschlossenheit und geigerischem Können dazu, diese drei hier auf einer Doppel-CD erscheinenden Violinkonzerte amerikanischer Herkunft zu vereinen. Doch die lettische Geigerin Baiba Skride ist keine konformistische Musikerin, sondern eine, die ihr Herzblut in Werke ebenso wie in ihre konzeptionierten Alben legt. Und so schreibt sie auch zu Beginn im Booklet der Doppel-CD, dass die Violinkonzerte von Leonard Bernstein, Erich Wolfgang Korngold und Miklós Rózsa natürlich extreme technische Herausforderungen verlangen, die man aber nicht hören dürfe. Es gehe schließlich um die musikalische Aussage. Richtig so!

Doch welch unterschiedliche Komponisten hat man da vor sich: Erich Wolfgang Korngold, der Wiener, der schon in seiner Heimat ein Wunderkind war und große Erfolge feiern konnte, war 1938 nach dem „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland – in die USA ausgewandert. Und fand in der Filmindustrie von Hollywood ein neues Arbeitsfeld. Das nahmen ihm fast zeitlebens die Kritiker übel und verschmähten entsprechend alle auch für den Konzertsaal entstandenen Werke. Miklós Rózsa, der Ungar, war noch kein großer Name, als er sich in Hollywood als Emigrant seine Meriten noch vor Korngold mit drei Oscars zu Filmen wie „Ben Hur“ verdiente. Entsprechend wurden seine Werke, die er außerhalb der Traumfabrik Hollywood zu Papier brachte anders angesehen. Dennoch war es der große Geiger Jascha Heifetz, der nicht die Violinkonzerte beider Film-Komponisten uraufführte, sondern sie auch erstmals für Tonträger bannte.

Das Korngold-Konzert strotzt nur so vor melodischen Ideen, die zum Teil aus der Filmmusik des Komponisten entlehnt sind. Es ist ein beständiger Fluss, den die Geige da zu vollbringen hat, und das über einem opulenten Orchestersatz. Baiba Skride weiß dieses beständige Lamento mit so viel Inbrunst und großartigem Verve, dass dem Zuhörer klar wird, warum diese Geigerin solch eine grandiose Karriere hat – und warum dieses Werk trotz der Vorbehalte gegen Korngold im Konzertsaal solch ein Erfolg über alle Jahrzehnte war. Der Chefdirigent der Göteburger Symphoniker, Santtu-Matias Rouvali, hat mit seinem Orchester bereits mit den ganz großen Solisten der Welt gearbeitet. Und auch in dieser Einspielung beweist er mit seinem Orchester ein unvergleichliches Gespür für diese neoromantische, vom Film beeinflusste und so stark „sprechende“ Musik.

Aber auch das Tampere Philharmonic Orchestra zeigt sich in Miklós Rózsas Konzert als beweglicher und famoser Klangapparat, dass man sich kaum eine bessere Verbindung wünsche könnte. Dieses Konzert ist stark von der Harmonik und den Einflüssen der ungarischen Heimat des Rózsas beeinflusst, und kann dennoch nicht ganz den bildhaften Charakter der Aussagen verneinen. Dennoch ist diese Sprache vielleicht Bartóks Musik näher als der des Filmkomponisten Rózsa. Und auch hier kann Skride die schwierig mit dem Orchester zu koordinierenden Rhythmen zu einer Aussage bündeln, dass man atemlos vor den Lautsprechern sitzt.

Bernstein, der in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag hätte feiern können, schrieb seine Serenade für Violine und Streichorchester 1954. Angeregt – wie so oft bei Bernstein – ist auch dieses Werk durch Literatur. Allerdings eine ganz besondere: Platons „Symposion“. In dem er Sokrates reden über die Liebe dokumentiert. Doch man sollte sich nicht von dem zu Beginn des Konzerts erklingenden und schmachtenden Geigensolo täuschen lassen: Insgesamt ist diese Serenade allein für Streicher und Sologeige ein insgesamt fröhliches, wenn auch über die Liebe reflektierendes Werk. Und natürlich hört man aus jeder Phrase Bernsteins Lust am Musikantischen und an den Einflüssen aus anderen Genres.

Welche eine grandiose Doppel-CD, welch eine gelungene Darstellung von drei Violinkonzerten mit der großartigen Ausnahmegeigerin Baiba Skride, die hier ihr ganzes Können aufgewendet hat, um den Zuhörer in eine andere Welt zwischen Hollywood und New York zu entführen. Und dies gelingt!

Auf naxos.de findet man verschiedene Bezugsquellen für das Album, digital und physisch.

Published inAlben vorgestellt

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