Das Publikum, das im traditionellen Saal der ‘American Society’ im Stadthaus in der New Yorker ‘Upper East Side’ Platz genommen hat, wartet mit großer Erwartung auf Vivian Fungs Veröffentlichung Dreamscapes. Andrew Cyr, der einfallsreiche, für einen Grammy nominierte Direktor und künstlerische Leiter des Metropolis Ensemble, gibt dem Pianisten zu verstehen, mit dem Abendprogramm anzufangen, indem er die Saiten des Konzertflügels zupft.
Zwei Schlitztrommler aus seinem Orchester entsenden von hinten mystische und seltsam fern klingende rhytmische Trommelschläge in den Saal; vogelähnliches Zwitschern überlagert die Klänge der Trommeln, als die Musiker, die sich unter das Publikum gemischt haben, damit beginnen, verschiedene vietnamesische Vogelpfeifen zu spielen. Als Cyr die Percussionisten auffordert, sich stetig dem Bühnenraum zu nähern, beginnen sich die unterschiedlichen Stimmen zu vereinen. Der Pianist Conor Hanick bereitet das Klavier entsprechend von Fungs Hinweisen mit Eisstielen, Haarklemmen und Büroklammern vor und erfindet so eine berühmte Praxis, für die sich zunächst der Pianist und Komponist John Cage eingesetzt hatte, aufs Neue.
Selbst das Publikum bekommt die Möglichkeit mitzumachen, indem es mit Weingläsern Musik macht und mit einem einbezogenen Fundstück Spass haben kann. Die aus Kanada stammende Komponistin Vivian Fung wartet und beobachtet aufmerksam, wie das Publikum auf ihre auditiv und räumlich fesselnde Musik reagiert und bemerkt wie das Publikum, obwohl es sehr einfühlsam ist, auch manchmal verblüfft dreinschaut.Und so beginnt die Einführung des Abends in die kreative Welt der Komponistin.
Dem Auftritt folgen einige Überlegungen aller Solisten, des Dirigenten, einiger Orchestermitglieder sowie des zweifach mit einem ‘Grammy’ ausgezeichneten Produzenten und Toningenieurs Tim Martyn zum Aufnahmeprozess dieser CD. Conor Hanick erläutert, dass Fungs Klangwelt Teil eines einzigartigen Genres ist, dass eine Vielfalt von originären Klangassoziationen in Verbindung mit Klängen bringt, die von javanesischer und balinesischer Gamelan inspiriert wurden und mit verschiedenen Mitteln instrumenteller Anpassung, und im Falle des Klaviers, einer Veränderung des Timbres durch das Anbringen von Objekten an den Saiten produziert wurde. Fungs enthusiastische Erkundung des indonesischen Gamelan war ein durchgehendes stilistisches Element im Werk der jungen, an der Julliard School ausgebildeten Komponistin, die von der New York Times als heraufbeschwörend bezeichnet wurde.
Fungs letzte CD wurde kürzlich von dem neu gegründeten NAXOS Canadian Classics Label veröffentlicht, welches die Idee von Naxos’ Raymond Bisha ist. Die CD beinhaltet drei Werke, die sich von Glimpses (2006) bis zum Klavierkonzert Dreamscapes (2009) erstrecken. Bestehend aus verschiedenen übergangslosen Klangbildern vertieft das Dreamscape-Konzert, das Hanick, einer der anderen beeindruckenden Julliard Absolventen vorstellt, Themen, die in Fungs vorausgehenden Werken erkundet wurden; zum Beispiel basiert das zweite Klangbild auf “Kotekan” – dem Ersten Satz von Glimpses. Es ist recht interessant, der Tiefe und dem Detail in Fungs Werk – angefangen von ihrer frühsten vorgestellten Komposition Glimpses bis zu ihren fantasievollen und organisch verdichteten, neueren Werken – nachzuspüren.
Das neueste Stück auf der CD, vorgestellt von der virtuosen Violinistin Kristin Lee, ist das Violin Concerto (2010/11). Wie Fung und Lee zeigen, war das Finden der perfekten Kadenz Teil eines faszinierenden Prozesses, als Team zusammen zu arbeiten. “Ich wollte wirklich dabei mit Kristin zusammenarbeiten,” meint Fung, “und ich habe mehrere Entwürfe gemacht, um mit etwas aufzuwarten, dass vollkommen ihrer Hand entsprach – nicht als ob sie nicht alles spielen könnte.” Verschiedene Versionen der Kadenz wurden verworfen, da ihnen die Flüssigkeit fehlte oder sie zuviele extreme Tonabstände aufzeigten, die neben anderen Makeln nicht gewünschte Dissonanzen hervorbrachten. Die endgültige Version in Gis beinhaltet viele Arpeggio-Sätze, die einen Fluss hervorbringen, der für Lees weitläufige Technik wesentlich ist. Die melodischen Stimmführungsmöglichkeiten der Kadenz fusionieren mit vielen Glissandi, um die Sätze menschlichen Gesangs zu imitieren. Fung meint, dass sie das Konzert auf javanesischem Gamelan aufgebaut hat, das viel sinnlicher und romantischer als das balinesische Gamelan ist. Neben der Tatsache von Gamelan Musik selbst inspiriert zu sein, bemerkt Fung, dass sie und Lee im Jahre 2010 zusammen nach Bali gereist sind; die Reise war eine prägende Erfahrung in ihrer musikalischen Freundschaft und noch eine weitere Inspirationsquelle für die Kadenz.
Fung empfindet eine enge Verbindung zu all denen, die an der Produktion von Dreamscapes teilhatten, mit denen sie berufliche Beziehungen wie auch Freundschaften aufrecht erhielt. Fung hat ihr Team mit viel Feingefühl ausgesucht. Die Solisten auf der Dreamscapes -Aufnahme besitzen eine virtuose Technik, und sogar fast noch wichtiger, besitzen sie ein tiefes Verständnis für Fungs Vorstellungen. Andrew Cyr und das erklärte Leitbild des Metropolis Ensemble betonen ihren Wunsch, “innovative Konzert Erlebnisse aus der Verpflichtung heraus zu schaffen, klassische Musik in ihrer gegenwärtigsten Form zu machen.“ Dem Metroplis Ensemble war es, indem es diesem Ziel treu geblieben ist, möglich, eine große Anhängerschaft zu finden und Werke eines sehr interessanten Aufgebots zeitgenössischer Komponisten in Auftrag zu geben und uraufzuführen. Erhebliche Unterstützung für Vivian Fung’s Dreamscapes wurde von Paul und Elisabeth DeRosa zur Verfügung gestellt.
Grenzüberschreitend von Ilona Oltuski
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