Klassen, gegeben von den meist bewunderten Meistern auf ihrem Gebiet, sind oft der beste Weg, sowohl Studenten als auch Fans zu inspirieren. Als Ergebnis von Yoheved Kaplinskys (Direktor der Klavierfakultät an der ‘Julliard School’) diesbezüglicher Initiative, hat in dieser Woche der ehrwürdige Pianist Murray Perahia seinen aufgezeichneten Mini-Gastaufenthalt angetreten. Ara Guzelimian (Hochschulkanzler und Dekan) hat die Reihe so gestaltet, dass sie aus Vorlesung/Vortrag und drei Meisterklassen besteht, eine von ihnen mit Zutritt für die Öffentlichkeit. Weitere solche Gastaufenthalte in dieser Spielsaison beinhalten Richard Goode (öffentliche Meisterklasse am 24. Oktober) und Leon Fleischer (öffentliche Meisterklasse am 24. Februar 2013) in Juilliards ‘Paul Hall’.
Als ich mich der neu errichteten Brücke näherte, die Julliard mit dem größerem ‘Lincoln Center’ Komplex verbindet, dachte ich über die vielen Bemühungen von Julliard nach, sich über den ausgewählten Kreis hinaus an die Öffentlichkeit mit solch unterschiedlichen Programmen zu wenden, wie ihre an die Öffentlichkeit gerichteten sozialen ‘outreach’-Auftritte, die zusätzlich angeboten zu den Publikationen, den eigenen Klassen für Abendschüler und für die, die sich auf ein Hochschulstudium vorbereiten wollen.
Diese Meisterklassen sind eine wunderbare Bereicherung ihrer Programme. Neben der Gelegenheit, weltbekannten Auftrittskünstlern aus der Nähe und persönlich zuzuhören, ist es natürlich der Traum eines jeden aufstrebenden Pianisten, die Geheimnisse (sofern es sie gibt?) eines jeden großartigen Auftrittskünstlers zu entlocken. In diesen Meisterklassen kann der Künstler zeigen, was seine Auftritte so einzigartig und erfolgreich macht, indem er Erfahrungen und aufschlussgebende Erläuterungen weitergibt, warum er diese und nicht eine andere Ausführung bevorzugt.
Die Frage für jeden Künstler besteht nicht so sehr darin, welcher Ansatz wohl als bester zu bewerten sei – es gibt viele, die Gültigkeit haben, die auf einer einfach unendlichen Anzahl von Variabeln beruhen, die in der Veranlagung, Technik und Persönlichkeit des Künstlers zu finden sind. So viele Diskrepanzen wie es sie im methodischen Streben nach dem letzendlichen musikalischen Ergebnis es auch gibt, was allein zählt, ist, dass der Auftritt in übereinstimmender Art und Weise überzeugend ist.
Also, wie vermittelt ein meisterhafter Musiker und freigiebiger Mensch, wie es Perahia zweifelsohne ist, seine Weisheit? Was für Ratschläge kann er speziell den gutvorbereiteten Studenten geben, die für ihn spielen?
Interessanterweise entpuppte sich der Rat, der als der aufrichtigste und als Ergebnis tiefstempfundener Zuneigung und härtester Arbeit zu bestehen schien, als die Bemerkungen, die sich auf die Bedeutung von Musik selbst bezogen und direkt aus seinem Herzen kamen. Es stellte sich heraus, dass diese viel mehr Relevanz hatten als ein jegliches Detail: “Musik ist eine Geschichte. Wenn man keine Geschichte erzählt, ist sie trocken. Die Geschichte muss dabei nicht unbedingt wörtlich genommen werden – sie erzählt manchmal weniger als die Noten selbst – obwohl es in einigen Fällen nichts an der thematischen Idee verkehrt ist. Einige Leute gehen sehr ins Detail konkreter Assoziation; was soll die Musik wiedergeben?… Ich denke nicht, dass das sehr hilfreich ist, obwohl es natürlich Stimmungen hervorrufen kann. Ich glaube nicht, dass es bei Musik um Handlungen geht – vielmehr geht es bei ihr um Gefühle – um den den Ausdruck von Gefühlen!”
Zusammen mit seinem ehemaligen, bewunderten Lehrer Karl Schechter an der ‘Mannes School of Music’ diskutierte Perahia den Ansatz Schenkerianischer Theoretischer Analyse, einem Dauerbrenner in Julliards Curriculum, als einen Ansatz, der nicht seine Gültigkeit hat, Musik nicht nur aus dem Bauch aus zu erkunden, sondern mit Ideen und konzeptionellen Werkzeugen in der Hand: “Wir legen nicht nur einfach unsere eigene Persönlichkeit in das Spielen, der Auftrittskünstler hat die Verpflichtung auf den Grund der Partitur zu gehen. ‘Schenker’ ist eine Art sich dem organischen Ganzen der Komposition zu nähern.”
Indem er sich auf das größere Ganze bezieht, “erleichtert” dieser Ansatz die Harmoniestrukturen zu analysieren, auf denen die Musik beruht: “das Erkennen der Antrieb gebenden Elemente in der Musik.” Dennoch wie Perahia selber zugibt, ist er [der Schenker Ansatz] als recht komplex bekannt und, obwohl er über Schecker schon früh in seinen Studententagen lernte, versetzte er sich erst dann tief darin hinein, als er durch eine Handverletzung gezwungen war, ab und zu mehr Zeit fern vom Klavier zu verbringen.
Als er während der Meisterklassen am Klavier großzügig etwas veranschaulichte, was der Himmel für die Fans war, bestand er darauf: ”Macht nicht, was ich mache – seid frei!” Ebenso gab er guten, soliden Rat, wie: “Denkt immer musikalisch, wenn ihr technisch übt, ansonsten wird es beim Auftritt technisch – wie bei einer Etüde. Der musikalische Ausdruck findet immer seinen Weg in die Geste, man muss es am Klavier zum Ausdruck bringen.” Er befürwortet, aufgeschlossen zu sein: “…und hier magst du durch die Pausen in die Pedalen treten”, sagt er einem seiner Meister-Studenten. ”Trotz meines Lehrers, der immer gesagt hat: ‘Man kann nie durch die Pausen treten’ – trete hier durch!”
Die Juilliard Studenten und Alumni hatten einige enthusiatische Reaktionen. Eine von ihnen, Alexandra Joan, beindruckte mich besonders in ihrer vorbehaltslosen Reaktion auf das Programm. Als Seelenverwandte, vertraute die junge Pianistin mir an, dass Veranstaltungen wie diese ihren Aufenthalt in New York lohnend machen würden. Sie meinte, “sein Unterrichten ist unglaublich inspirierend. Ich mag sehr die Tatsache, dass er immer zuerst eine Frage über das Stück an die Studenten richtete, um unabhängiges Denken fast auf eine väterliche Art anzuregen… es ist kein Zufall, das er ein solch großartiger Interpret ist, wie er wirklich mit seinen Gedanken vieles tief durchdringt, um bedeutungsvolle Verbindungen in der Musik zu finden.”
Als Auftrittskünstlerin, die am Pariser Konservatorium studierte, bevor sie nach New York kam, um an der ‘Julliard School’ ihr Studium fortzusetzen, ist sie von einem solchen wissbegierigen Ansatz fasziniert, aber interessanterweise findet sie: ”Schenker ist nicht trocken wie ein Bibliothekar; sein Schreiben ist sehr romantisch und idealistisch. Tatsächlich veröffentlichte er zuerst sein Buch anonym unter dem Titel: Neue Musikalische Theorien und Fantasien von einem Künstler. Wenn ich ein Stück beginne, halte ich nach seiner DNA Ausschau und Schenker hilft mir dabei, die versteckte Struktur in den Noten zu erkennen. Selbst dann, wenn man es intuitiv macht, ist es sehr anders und zugänglich – jedoch als eine einzigartige harmonische Struktur – weiß man über das Warum Bescheid, Es bringt es – sicher, ich weiß, dass ich ein Idealist bin – auf eine höhere, ja göttliche Ebene.”
Wie wundervoll, solche Leidenschaft zu wecken! Das ist es letztendlich, worum es beim Lernen vom Meister geht: Die Einsichten weiterzugeben, die durch ihre eigene Arbeit und Errungenschaften gewonnen wurden und um dadurch, wie Perahia sagt, unsere Perspektive zu verändern: ”Schenker hat meine eigene Arbeit beinflusst, er regte mich an und ich wollte Ihnen das mitteilen – es verändert einen sehr, indem man bewusster ist. Analysiert man mit diesem Ansatz eine Partitur, erfährt man etwas über den Auftritt – ihr vorgegebenes Tempo (abgesehen von Markierungen) und die vorausgesetzte Richtung, die die Partitur nimmt; ein Verständnis, das man nicht notwendigerweise ohne ihn bekäme. Und da es [dann] weniger beliebig ist, was man am Klavier machen soll, gewinnt man größeres Selbstvertrauen.”
Grenzüberschreitend von Ilona Oltuski
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