Sandro Russos Scarlatti Recreated, das am 24. Sept, 2013 beim ‘Musical Concepts Label’ herausgegeben wurde, wird durch ein ‘neu erschaffenes’ Repertoire, das höchst originell ist, zu einem ambitiösen und phantastischen Vorhaben. In der Tat gibt es auf dem Album vier Weltpremieren-Aufnahmen, die sich auf Domenico Scarlatti (1685-1757) beziehen. Scarlatti war ein Zeitgenosse von Händel und seine barocken Kompositionen, die größtenteils in Vergessenheit geraten waren, haben jedoch in der Mitte des Zwanzigsten Jahrhunderts neue Popularität erlangt, worauf im Beiheft zur Aufnahme hingewiesen wird. Bei dieser Aufnahme hat es Russo mit extrem schwierigem Material zu tun und er löst dessen Knifflichkeiten mit seinem meisterhaften Verständnis des Genres. Es gelingt ihm, mit der elegantesten Ehrerbietung, sich den unterschiedlichen stilistischen Kommentaren von Komponisten anzupassen, ohne jemals seine eigene, sensible und persönliche Note zu verlieren.
Der in Italien geborene und in New York beheimatete Sandro Russo ist als außergewöhnlich poetischer Pianist mit einer Begeisterung für die neuentdeckte Freude an den Transkriptionen gepriesen worden. Im Jahre 2005 traf er Vladimir Leyetchkiss auf der Internationalen Konferenz der Rachmaninow Gesellschaft in London, dessen Transkriptionen von Rachmaninows Walzer und Romanze aus seiner zweiten Suite für zwei Klaviere Russos Interesse auf sich zogen. Leyetchkiss sprach Russo an, um einige der Sätze von der Transkription der zweiten Suite während des Konzertabends zu spielen. Leyetchkiss hatte ursprünglich dieses Oeuvre Cyprien Katsaris zugedacht, der es letztendlich nie spielte; Russo hatte sowohl den Walzer als auch die Romanze während der 2008/2009er Konzertsaison mit großem, entscheidendem Erfolg und enthusiastischer Zustimmung von Leyetchkiss uraufgeführt.
Zu Scarlatti Recreated bemerkt Russo: “Die Idee Scarlatti neu zu erschaffen, basierte hauptsächlich auf der Tatsache, dass sein Werk nicht für das moderne Klavier, sondern für das Cembalo konzipiert worden war.” Scarlattis bedeutsamster musikalischer Beitrag ist sein Oeuvre von 555 Klaviertasten – Sonaten, die für Cembalo geschrieben und durch das umfassendste Bezifferungssystem seines Werkes chronologisch katalogisiert wurden, das von Ralph Kirkpatrick im Jahre 1953 geschaffen worden war. Mit einem scharfen Gespür für die geschichtliche Komponente des Klavierspiels, bereitete es Sandro Russo Freude, historische Instrumente zu spielen und das Erleben am Klavier in einen soliden historischen Rahmen zu stellen.
Offensichtlich gab es etwas in den intimen und harmonischen Melodien, was eine historische Antwort anregte, eine, die ebenso ein Zeugnis über die Stilrichtungen der Zeit abgibt, in der verschiedene Transkriptionen angefertigt wurden – ob virtuos, romantisch oder ausdrucksstark – wie auch über die Feinheiten von Scarlattis Musik selbst.
Eine Transkription ist durch eine ihr inhärente Komplexität geprägt. Basierend auf dem Quellenmaterial ruft die Transkription das Original in Erinnerung, aber versucht oft, über sie hinaus zu gehen und fügt einen persönlichen Kommentar hinzu. Dieses hat oft zum Ergebnis, dass harmonische Stimmen oder melodische Ausschmückungen hinzugefügt werden, die sich in komplexe technische Anforderungen an den Pianisten umwandeln. Russos CD stellt Transkriptionen des Materials Scarlattis von Pianisten des 19. und 20. Jahrhunderts vor. Der in der Mitte des Neunzehnten Jahrhunderts lebende Transkriptionist Carl Czerny erwies Scarlatti zusammen mit anderen Komponisten seine Ehrerbietung, während er im Zentrum der Wiener Klavierkunst arbeitete. Die Piano Virtuosen Carl Tausig und Louis Brassin, die am besten für ihrer Wagner Transkriptionen bekannt sind, fügten Scarlattis Stoff ihr eigenes virtuoses Flair hinzu und nahmen ihre eigenen Interpretationen in eine breitgefächerte und mehrstimmige, orchestrale Konfiguration der ursprünglichen Musik auf. Zur Jahrhundertwende machte sich Enrique Granados daran, eine Reihe von Scarlattis Sonaten zu transkribieren. Der berühmte Virtuose und Komponist der Mitte des Zwanzigsten Jahrhunderts Ignaz Friedman war zusätzlich zu seinem Spielen von Chopin für seine Bach und Scarlatti Transkriptionen bekannt; der polnische Pianist brachte viele von Chopins harmonischen Einflüssen in die Klangwelt von Scarlatti mit ein. Die Kompositionen des exzentrischen Charles-Valentin Alkan, einem Kollegen von Chopin und Teil des gleichen Bohème-Zirkels in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts, ist dafür bekannt, selbst die Grenzen des virtuosesten Klavierspielens auszutesten. In einem seiner Manuskripte bezog er Hinweise auf “Alla D. Scarlatti” mit ein.” Etwas mehr an einer historischen Ansicht des Zwanzigsten Jahrhunderts sind Jean Françaix, Rayomond Leventhal und Michael Habermann interessiert, ein jeder von ihnen nähert sich Scarlatti mit ihrer persönlichen, historischen Perspektive.
Russos eigene Offenbarungen faszinierender Details werden mit großer Souveränität auf Scarlatti Recreated pojiziert, vielleicht am hervorragendsten ausgedrückt in seinem Spielen von Marc-André Hamelins Etüde VI: Esercizio per Pianoforte (Omaggio a Domenico Scarlatti). Marc-Andrè Hamelin ist bekannt dafür, die Werke weniger bekannter Komponisten (einschließlich von Alkan) und Werke mit Stücken vorzustellen, die viele als schwierig zu spielen ansehen, und dabei unbeeindruckt von ihren unglaublichen Schwierigkeiten, deren besonderen Character, alle Feinheiten inclusive, zum Ausdruck zu bringen. Der zeitgenössische Pianist/Komponist und Arrangeur erweist Scarlatti in seinen eigenen Worten eine “rein liebevolle Huldigung”, wie im Beiheft bemerkt wird.
Russo gelingt es, den Zuhörer durch die verschiedenen Bezugnahmen hindurch zu fesseln, die sich auf Scarlattis zugrundeliegenden Einfluss auf die Klarheit und Finesse beziehen, was dem Zuhörer ebenso dazu verhilft, einen tieferen Einblick in den ausgefallenen Prozess des musikalischen Komponierens zu gewinnen.
Die Aufnahme ist ein ergreifendes Beispiel von Russos durchdachten und bedeutungsvollen Programmen, die mit großem Einfallsreichtum und musikalischer Fingerfertigkeit ausgeführt werden.
Ilona Oltuski
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