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Pianist Lily Maisky und Cellist Mischa Maisky – Musik in den Genen

Veröffentlicht im neuen Heft von Ensemble Magazine

Lily Maisky, Tochter des weltberühmten Cellisten Mischa Maisky, hatte schon immer eine ganz besondere Verbindung zu ihrem Vater. Er war es, der die Musikleidenschaft der jungen Pianistin durch sein musikalisches Vorbild und seine mitreissende Persönlickeit förderte.

Nicht viel anders verhält es sich mit Lilys jüngerem Bruder, dem Violinisten Sasha Maisky. Mit beiden Kindern abwechselnd oder zusammen aufzutreten, hat den Traum des Vaters vom eigenen Familientrio mit Cello, Geige und Klavier in Erfüllung gehen lassen. “Mein Vater hatte immer diese Vision, dass wir alle zusammen Musik machen würden, aber erzwungen hat er es nicht”, erzählt Lily. “Er bestärkte uns eher sanft, indem er uns musikalisch beriet, aber so, dass es Spass machte – nicht durch Spieltechnik, sondern dadurch, dass er die Fantasie beflügelte.”

(Foto – Benjamin Brolet)

Lily räumt ein, ein etwas ungelenkes Kind gewesen zu sein, das nicht so richtig in das soziale Ambiente ihrer Klassenkameraden passte: “Ich wurde nie akzeptiert; ich war exzentrisch und ständig auf dem Weg zu einer Stunde oder zum Üben. Musik war einfach immer Bestandteil unseres Lebens”, sagt sie.

Wenn Lilys Vater auf Tournee war – und das kam sehr häufig vor –  überwachte Mutter Kay die tägliche Routine am Klavier. Sie war es, die Lily um 6 Uhr morgens aus dem Bett holte, damit Lily noch vor Schulbeginn ans Klavier konnte, und sie sorgte dafür, dass ihre Tochter nach der Schule zusätzlich mindestens eine Stunde spielte.

Ab ihrem vierten Lebensjahr nahm die in Paris geborene und in Brüssel aufgewachsene Lily Klavierunterricht bei Lyl Tiempo, Hagit Kyrbel, Ilana Davis und Alan Weiss. “Als Kind war ich nicht die eifrigste Klavierschülerin; ich fand immer Mittel und Wege, die täglichen Stunden beim Klavierspiel abzukürzen. Oft habe ich ein Buch gelesen und nur so getan, als ob ich aufpasste; dabei habe ich mit nur einer Hand gespielt”, gesteht sie.

Ihre Kindheit und Jugend in Musikerkreisen übten jedoch eine Faszination auf sie aus, der sie sich letztlich nicht entziehen konnte.

“Ich habe mich immer besser mit Erwachsenen als mit Gleichaltrigen verstanden”, sagt sie. “Ich betrachtete die Erwachsenen, die um meine Eltern herum waren, auch als meine Freunde. Und im Sommer reisten wir dann als Familie zu den Musikfestivals, bei denen mein Vater auftrat.”

(Foto: Ilona Oltuski – bei der Probe mit Vater Mischa und Bruder Sasha , beim Progretto Martha Argerich in Lugano)

Ihr erstes Festival – in Verbier – erlebte Lily mit sechs Jahren, und dann begleitete sie ihren Vater auf seinen Reisen nach Siena und Israel, wo er Meisterklassen gab. Als Vierzehnjährige schrieb sie sich schliesslich als Studentin an der englischen Purcell School of Music ein und studierte neben klassischer Musik auch Jazz.

Bald schon besuchte sie Meisterklassen weltberühmter Musiker wie Dimitri Bashkirov, Joseph Kalichstein, Pavel Giliov, Vitali Margulis und Oleg Maisenberg, und mit 15 schliesslich trat sie zum ersten Mal mit ihrem Vater auf. Sie nennt dieses Ereignis eine Offenbarung:

“Ich arbeitete gerade an der sehr intensiven Brahms E-minor Sonate, und fragte ihn, ob er sie mit mir durchgehen würde. Wir planten an diesem Tag eine Party für meine Mutter und beschlossen, sie mit unserem gemeinsamen Spielen zu überraschen. Meine Mutter war ein bisschen nervös, aber als wir dann zusammen spielten, schien es das Natürlichste der Welt zu sein; es fühlte sich an, als ob wir schon immer zusammen gespielt hätten.”

Vater Mischa bestätigt das: “Wir hatten nicht geübt, sondern setzten uns einfach hin und spielten; es war fantastisch. Lily war einfach bereit für diesen Moment – so wie man je bereit sein kann – und wir spielten mit soviel Instinkt, Emotion und Sensitivität. In diesem Augenblick begriff ich, dass mein Traum Wirklichkeit geworden war, und dass wir wirklich zutiefst miteinander verwandt waren.”  (Foto – Vater und Tochter Maisky, vom Künstler bereit gestellt)

Mischa Maisky erzählt auf seine warme und humorvolle Art weiter: “Ich bin mit vielen verschiedenen grossen Musikern aufgetreten, und mit einer ganzen Reihe von ihnen verbinden mich sehr spezielle Freundschaften. Aber mit unseren Kindern zu spielen ist etwas ganz anderes. Musik beginnt dort, wo Worte nicht genügen und wird Teil unserer persönlichen Beziehung. Ich liebe alle meine Kinder, unabhängig davon, ob sie Musik machen oder nicht, aber diese gemeinsame Erfahrung schafft eine emotionale Bindung, die sehr stark und einmalig ist.”

(Foto:Ilona Oltuski – nochmals proben in Lugano)

2005 gab Lily in Emola und Ravenna ihre ersten professionellen Konzerte mit ihrem Vater. Lily erinnert sich: “Ich war noch nicht ganz mit der Schule fertig, und im Begriff, mir ein Repertoire aufzubauen, und dies war meine erste ernsthafte Kollaboration als Kammermusikerin. Damals begriff ich, dass Kammermusik meine Stärke werden würde, und dass dies der Weg für mich war. Ich war für eine Karriere als Virtuosin einfach nicht geschaffen, und eigentlich auch gar nicht interessiert daran”, sagt die zierliche Pianistin, die zu jener Zeit unter Ermüdungserscheinungen und einer schweren Sehnenscheidenentzündung litt.  Der im Vergleich zur Orchestermusik weniger anstrengende Probenplan einer Kammermusikerin entsprach der Pianistin, die sich selbst als ‘unbelehrbar’ bezeichnet, sehr viel eher.

“Meine Lehrer sagten mir, dass ich zu dickköpfig sei, um unterrichtet zu werden; ich lernte, indem ich spielte, und am ehesten auf der Bühne. Ich habe das Gefühl, dass es dieser erste, spezielle Auftritt mit meinem Vater war, der mein Interesse an Kammermusik weckte.”

2008 dann trat Lily auch als Solistin mit Werken von Scriabin, Chopin und Janacek beim alljährlichen Progetto Martha Argerich – Festival in Lugano auf und baute ihre Erfahrungen mit anderen Kammermusikern weiter aus.

“Es ist wichtig, dass man seine Stärken und Schwächen kennt. Ich glaube, dass es mir gegeben ist, auf andere zu hören und dann flexibel genug zu sein, mich auf verschiedene Stilrichtungen und Auftritte einzustellen; ich finde den Dialog, der auf der Bühne stattfindet, sehr aufregend. Jeder Kammermusiker kann auf seine Art und Weise inspirieren und das Repertoire erkunden und präsentieren”, sagt sie.

Die junge Pianistin weiss um die Probleme und Tücken einer Tochter, deren Vater weltberühmt ist: “Natürlich ist da immer der Kampf um die eigene Stimme, aber die Tatsache, dass ich kein Saiteninstrument spiele hilft”, kommentiert Lily. (Foto: Bernhard Rosenberg)

Und über die Zusammenarbeit mit ihrem Vater sagt sie: “Vielleicht fühlte ich mich etwas mehr unter Druck auf der Bühne; das bringt die Verantwortung des Namens mit sich. Letztendlich aber musst du deine eigene Stimme finden und dem, was andere Leute denken oder sagen, nicht zuviel Bedeutung beimessen. Er würde nicht mit mir auftreten, wenn er das Gefühl hätte, mein Spielen sei nicht gut genug. Dafür ist er zu sehr Musiker. Die Tatsache, dass sich unsere musikalische Zusammenarbeit so natürlich entwickelte und wir derart gut harmonieren, hat mir das nötige Selbstvertrauen gegeben, um das Gefühl, mich ständig beweisen zu müssen, zu überwinden. Natürlich ist es ein andauernder Lernprozess, der mit jeder neuen Kollaboration wächst. Mein Vater bleibt mein wichtigster musikalischer Einfluss, aber ich schaffe es, Vater und Cellist auseinanderzuhalten. Ich habe viele wichtige musikalische Prinzipien von ihm gelernt, mehr als von irgend einem anderen Musiker, und ich bin immer noch sehr wählerisch, was die Zusammenarbeit mit anderen Cellisten angeht; der Klang seines Spiels ist sehr tief in mir verwurzelt.”

Bei Proben sprechen Vater und Tochter nur wenig miteinander. Was immer kommuniziert werden muss, wie z.B. Timing und Phrasing, vermittelt sich über genaues Zuhören und Körpersprache. “Natürlich versuche ich Erfahrung und Wissen und meine Liebe zur Musik zu teilen, aber es ist keine Einbahnstrasse, und ich bin sehr offen”, sagt Vater Mischa über seine Zusammenarbeit mit Lily. “Sie beinflusst mich genauso oft, wie ich sie beeinflusse; das ist ja gerade das Schöne am gemeinsamen Musizieren und Kommunizieren – das hält mich jung”, fügt der für seinen sehr individuellen Klang und seine lockere und jugendliche Erscheinung und Garderobe bekannte Cellist hinzu.

“Ich bin der glücklichste Cellist der Welt“, sagt Mischa Maisky. “Ich habe Pablo Casals getroffen, mit Mstislav Rostropovich und Gregor Piatigorsky studiert, über zwanzig Aufnahmen mit Leonard Bernstein gemacht und in vielen Konzerten, die er dirigierte, gespielt.”

Und sein geliebtes Cello, das er mit Musikern wie Zubin Mehta, Gidon Kremer, Martha Argerich, Radu Lupo, Evgeny Kissin, Vladimir Ashkenazy und Daniel Barenboim gute 40 Jahre lang während vieler preisgekrönter Auftritte teilte? Zuerst nur Leihgabe, ging es schliesslich endlich in seinen Besitz über.

Die Liebe ihres Vaters zu seinem Instrument hat Lily immer beeindruckt. Sie meint: “Es ist nicht gerade unüblich, dass Kinder aus Musikerfamilien vom Elternhaus die nötige Obhut und Disziplin, an der es den meisten Kindern fehlt mitbringen und so dazu beitragen, eine neue Generation von Musikern zu schaffen.“

Dies dürfte vor allem dann der Fall sein, wenn sich Musikereltern und Kinder sehr nahe stehen, wie es bei Maiskys der Fall ist.

(Foto:Ilona Oltuski -Lily mit Bruder Sasha und Mutter Kay, beim Besuch des Progretto Martha Argerich in Lugano)

Doch es gab auch Krisen. Lily war gerade mal 14, als sich ihre Mutter sehr öffentlich von ihrem Vater  trennte – ein Einschnitt in Lilys Leben, der sie schnell erwachsen werden liess. “Oft war ich der Mediator”, erinnert sich Lily. “ich war empört und es dauerte Jahre, bis ich mich wieder gefangen hatte, aber ich wurde dadurch auch äußerst unabhängig und war sehr daran interessiert, mich selbst zu behaupten und auch zu finanzieren.”

Inzwischen steht Lily beiden Elternteilen sehr nahe, und liebt ihre jungen Geschwister aus der zweiten Ehe ihres Vaters. Die Kammermusik vermittelt ihr ein Gefühl von Geborgenheit und Zugehörigkeit zu der Musikerszene, in der sie aufwuchs und die sie liebt. “Es fühlt sich bedeutend besser an als das einsame Leben einer Solistin – auf der Bühne und auf Reisen.“

In den letzten neun Jahren sind Vater und Tochter oft als Duo oder auch als Trio mit Lilys Bruder Sasha aufgetreten, und die Deutsche Grammophon erweiterte Misha Maiskys 25-jährigen Katalog um zwei Alben, die Vater und Tochter zusammen vorstellen. Die Doppel-CD Song of the Cello enthält Werke von Rachmaninoff und Brahms, die bei Festivals in Verbier und Utrecht aufgenommen wurden. Das zweite Album unter dem Titel España! Songs and Dances from Spain ist eine Studioproduktion.

Zusammen mit Violinistin Alissa Margulis und dem Pianisten Nicholas Angelich ist Lily mit Werken von Shostakovich auf einem EMI-Album zu hören; wie auch die Musikerfamilie Maisky nehmen Margulis und Angelich regelmässig am Progetto Martha Argerich-Festival teil.

Opera Breve, ihr letztes Album mit Transkriptionen, die auf Themen bekannter Opern-Arien basieren, und das auch in der New York Times Beachtung fand, hat Lily im November 2013 mit Violinist Philippe Quint auf dem Avanti Label herausgebracht. Mit dem Violinisten Hrachya Avanesyan, der ihr musikalisch und persönlich sehr nahe steht, bereitet sie zur Zeit eine Auftrittsserie vor, und für das Jahr 2016 planen Vater und Tochter eine Tour mit dem charismatischen Violinisten Julian Rachlin.  Vater und Tochter beim Auftritt

Published inGrenzüberschreitend

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