Das Duo Huebl und Wait: Letztes Jahr Referenzklasse, heute leider nur moderat
Einst war es ein Hauptanliegen der Firma Naxos, Repertoireredundanzen im labeleigenen Programm möglichst zu vermeiden. „Konkurrenz aus dem eigenen Haus“ sollte es für Naxos-CDs nicht geben. In den letzten Jahren ist man von dieser Labelpolitik immer mehr abgerückt, pflegt nun – zumindest teilweise – wie andere Labels auch einen Starkult. Vorliegende Neuerscheinung überrascht mich persönlich dann aber doch.
Erst im letzten Jahr erschien eine CD in der grandiosen „Robert Craft Edition“ unter dem Titel „Duo Concertant“, seinerzeit in einer fantastischen Aufnahme dargeboten von Jennifer Frautschi und Jeremy Denk. Diese Aufnahme war für mein Empfinden nichts weniger als eine Referenzedition, die immer noch die Speerspitze dessen markiert, was man aus Strawinskys wunderschönem Duo machen kann.
Nun also erscheint das Duo Concertant noch einmal auf Naxos, diesmal im Rahmen einer CD, die alle Werke für Geige und Klavier auf sich vereint, die Strawinsky geschrieben hat. Die Interpreten dieser aus den genannten Gründen ungewöhnlichen Naxos-Novität ließen ebenfalls große Taten erwarten, handelt es sich doch um niemand Geringeres als Carolyn Huebl und Mark Wait, die im letzten Jahr eine geradezu atemberaubende Gesamteinspielung der Schnittke-Violinsonaten eingespielt hatten, die mit zum Besten gehörte, was im letzten Jahr auf CD überhaupt veröffentlicht wurde.
Leider hinterlässt die nun erschienene Strawinsky-CD des professoralen Duos von der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee einen etwas weniger guten Eindruck. Die letztjährige Schnittke-Gesamteinspielung hingegen entsprach Referenzniveau.
Die Gründe für diese Einschätzung sind divers. Beginnen wir ruhig einmal mit dem Duo concertant und vergleichen es mit der bereits oben erwähnten Einspielung von Frautschi und Denk: Während diese beiden aus dem Duo einen wirklich atemberaubenden Wirbelwind kreieren, der alles, was sich zufällig gerade vor den HiFi-Boxen aufhält tüchtig durchpfeift und einen mit geradezu nervenzerfetzender musikalischer Spannung an den Hörplatz zu fesseln versteht, ist die Lesart von Huebl und Wait weit weniger dramatisch, grenzt geradezu ans Emotionslose. Strawinsky wird von den beiden ganz ähnlich musiziert, wie Neue Musik: Betont sachlich, metronomgenau und eher klinisch.
Das, was bei Schnittkes Musik genau das Richtige war, wird hier bei Strawinskys Werken der Einspielung eher zum Verhängnis.
Ähnliches gilt übrigens auch für die „Suite italienne“ (einer Duo-Fassung des zauberhaften Balletts „Pulcinella“ für Klavier und Geige) sowie des „Divertimentos“ (der Duoversion des Balletts „Der Kuss der Fee“). Auch diese an sich fabelhaften Stücke, die von ihrer Anlage her neoromantisch bzw. sogar neobarock konzipiert sind, werden von Huebl und Wait mehr seziert als musiziert. Dabei werden übrigens vor allem im Rahmen der „Suite italienne“ überraschende spieltechnische Schwächen bei der Geigenpartie hörbar (während Mark Wait im Übrigen wie immer famos Piano spielt). Das kann ich mir nun gar nicht erklären, denn die letztes Jahr erschienene Schnittke-Aufnahme zeichnete sich vor allem durch eine durch und durch makellose Geigenperformance aus. Carolyn Huebl schaffte es damals, diese halsbrecherisch schweren Schnittke-Sonaten nicht nur zu bewältigen, sondern selbstbewusst zu dominieren. Es ist daher nun schon erstaunlich, dass die hier erklingenden Stücke, die Strawinsky zusammen mit dem Violinsolisten Samuel Dushkin arrangierte, der selbst nicht als soooooo herausragender Virtuose bekannt war, Carolyn Huebl nun an Grenzen bringen, die man weiter abgesteckt vermutet hatte.
Auch der Sound der Aufnahme kann mit der hervorragenden letztjährigen Schnittke-Produktion leider nicht mithalten. Während die Schnittke-CD zwar etwas sehr trocken geklungen hatte, ansonsten aber auch höchste HiFi-Ansprüche zu erfüllen vermochte, ist der Sound der nun neu erscheinenden Strawinsky-CD ebenfalls eher im Bereich der audiophilen Mittelklasse angelegt. Soll heißen: An dem Sound dieser CD wird sich niemand groß stören können, aber herausragend klingt das Ganze auch nicht. Irgendwie etwas „satt“ und matt kommt der Sound aus den Boxen. Erstaunlich schwer lastet eine Deckelung der Höhen auf dem Gesamtklang und lässt vielleicht auch dadurch die hier zu hörenden Aufnahmen nur wenig spritzig erscheinen. Dabei hätte gerade diese Duo-Aufnahme Transparenz und hoch auflösende Durchzeichnung nötig gehabt.
Fazit: Recht gut, aber nicht gut genug. Der große Vorteil dieser CD ist, dass man sämtliche Werke für Geige-Klavier-Duobesetzung aus der Feder Igor Strawinskys kompakt auf einer CD erhält. Das gibt es meines Wissens so nur auf dieser Veröffentlichung. Doch die sonst so guten Interpreten (Mark Wait wurde in der Vergangenheit zum Beispiel bereits mehrfach für den Grammy Award nominiert) können die in sie gesteckten hohen Erwartungen diesmal leider nicht in vollem Umfang erfüllen. Hoffentlich war dies also nur eine Ausnahme von der Regel, sodass wir bald wieder Referenzaufnahmen von Carolyn Huebl und Mark Wait bejubeln dürfen.
I. Strawinsky – Werke für Violine und Piano
Carolyn Huebl & Mark Wait
(2012) Naxos Katalog-Nr.: 8.570985 / EAN: 747313098576
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