Wenn von Bartóks Bühnenwerken die Rede ist, finden meist lediglich die einaktige Oper „Herzog Blaubarts Burg“ und das wegen seines brutalen Sujets berüchtigte Ballett „Der wunderbare Mandarin“ Erwähnung. Dass es daneben noch ein weiteres Ballett gibt, nämlich Bartóks Frühwerk „Der holgeschnitzte Prinz“ (Originaltitel: „A fából faragott királyfi“) wissen selbst begeisterte Bartók-Fans oft nicht.
Es ist nicht genau nachvollziehbar, warum „Der holzgeschnitzte Prinz“ so selten in den Theatern und Konzertsälen zu sehen bzw. zu hören ist, doch es liegt nahe, den Grund in dem ungewöhnlich großen orchestralen Aufwand zu suchen, den der Komponist für sein Tanzspiel vorgesehen hat. Das Orchester des „holzgeschnitzten Prinzen“ ist mit vierfachem Holz (inkl. einer Saxophongruppe), Celesta, zwei Harfen, umfänglichem Schlagzeug und dem üblichen Blechbläser- und Streicheranteil sozusagen bis zum Bersten besetzt.
Umso erstaunlicher ist, dass weite Teile der Partitur sehr lyrische und leise Musik zum Inhalt haben. Diese spätromantisch bis impressionistisch anmutenden Passagen werden jedoch durch eruptive Orchesterausbrüche immer wieder attackiert, wodurch sich ein in sich zerrissenes musikalisches Bild ergibt. Ein Märchen? Vielleicht, aber wohl eher keines, was man den Kindern zum Einschlafen erzählt.
Die Bernstein-Schülerin Marin Alsop, die in der jüngeren Vergangenheit mit dem Bournemouth Symphony Orchestra in schöner Regelmäßigkeit völlig unkalkulierbare Aufahmen vorgelegt hatte, deren Qualität von „eher mittelmäßig“ bis hin zu Prädikat „Referenzcharakter“ reichten, präsentiert mit ihrer Interpretation des frühen Bartók-Ballets eine höchst gelungene und deshalb höchst willkommene Ergänzung der Bartók-Diskografie. Im Endeffekt bin ich sogar der Meinung, dass Frau Alsop mit der vorliegenden CD ihre bisherige Meisterleistung als Dirigentin vorgelegt hat. Naxos-Tonmeister Phil Rowlands hat die offenbar sehr gute Akustik des „Lighthouse“ in Poole ein weiteres Mal optimal genutzt, sodass die Veröffentlichung auch ein akustischer Genuss ist, der sich vor keiner Major-Produktion zu verstecken braucht.
Da man oftmals nur die Konzertsuiten des „holzgeschnitzten Prinzen“ zu hören bekommt, steht nun eine gute und günstige Gelegenheit für all jene, die erkunden möchten, wie die spätromantischen Anfänge des späteren Avantgardisten Bartók geklungen haben. Besonders interessant sind die vielen Parallelen zwischen Bartóks „holzgeschnitztem Prinz“ (1917) und Strawinskys „Feuervogel“ (1911), die sich förmlich aufdrängen.
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