“Man weiß nie, was einen gleich als nächstes erwartet,” meint der norwegische Pianist Leif Ove Andsnes über Beethoven, als er seine persönlichen Ansichten auf seiner sogenannten ‘Beethoven-Reise’ im Rahmen einer intimen Zusammenkunft des Publikums im ’Green Space’ Studio des Radiosenders WQRX zu beschreiben versucht. Beethoven errichtet eine größere Struktur, die auf sehr einfachen Motiven beruht, die zwar sehr organisch ist, aber viele melodische Überraschungen bereithält. Andsnes hat in den Werken Beethovens für sich eine Art Fixierung auf Resonanz entdeckt, was sich in seiner Verwendung extrem langer Triller und der langen Pedalisierung zeigt und welche auf einem neuen Klavier sogar noch länger klingt als es das jemals auf den Instrumenten aus Beethovens Zeit tat. Andsnes fragt sich, ob diese Vorliebe vielleicht in Beethovens letzendlichem Gehörverlust ihren Ursprung hatte.
In dem Interview mit Jeff Spurgeon erwähnte Andsnes im Anschluss an seinen Auftritt im ’Green Space’ am letzten Samstagnachmittag die handgeschriebene Partitur von Beethovens berühmter Sonate Nr. 21, Opus 53 (Waldstein) – ein Werk, das Andsnes zusammen mit der Sonate Nr. 22, Opus 54 dargeboten hat. In dieser Partitur einer der längsten Sonaten Beethovens erkennt Andsnes zuerst die energiegeladene Handschrift, die sich in der Geschwindigkeit der Komposition wie auch im extensiven, vehementen, Kontrastaufbau in diesem Oeuvre ausdrückt. Als eines der längsten Werke des Meisters, erläutert Andsnes, dass es auch lange Passagen enthält, die Transformationen wiederholter Fragmente aufweisen, die den ganzen Text hindurch vorkommen, es handelt sich dabei um einen Teil der Reise, der voll von tief bewegenden Motiven ist und die Erwartungen weiter steigert – Erwartungen, die am Ende in dem damit untrennbar verbundenen Finale von der Waldstein-Sonate erfüllt werden.
Nur drei Tage vor seinem Auftritt im ‘Greene Space’, der als Webcast im Internet übertragen wurde, eröffnete Andsnes, dessen Klavierfertigkeiten jüngst von Blogcritics’ Jon Sobel gelobt wurden, die Spielzeit des ‘New York Philharmonic’ Orchesters mit György Kurtag, Opus 27, Nr. 1 (quasi una fantasia genannt / für Klavier und Gruppen von Instrumenten) und Beethovens Klavierkonzert Nr. 3. Als er Jeff Spurgeons etwas rhetorisch klingende Fragen recht lebhaft beantwortet, erinnert sich Andsnes daran, wie dieses Interesse an Beethoven in Wirklichkeit tatsächlich begonnen hatte: ”Ich war in Sao Paulo, trat dort auf, übernachtete in einem Hotel und betrat den Fahrstuhl, woraufhin das erste und zweite Beethoven-Konzert wiederholt stundenlang gespielt wurde. Zuerst dachte ich, oh nein – aber es erweckte eine neue Perspektive von Beethoven, die nicht im eigentlichen Zentrum meines Repertoires stand. Ich dachte mir: ‘es ist an der Zeit erwachsen zu werden… und ein bisschen Beethoven zu spielen!’”
Natürlich hat Andsnes in der Vergangenheit etwas Beethoven studiert. Im Alter von sieben Jahren spielte er die Mondscheinsonate, die er pianistisch gesehen als fremd empfand; aber darin erkannte er dennoch ein wichtiges, tiefgreifendes Element innerhalb des Stückes. Er meint, “Beethovens Musik besitzt nicht die offenkundigen sinnlichen Elemente wie Chopin oder Grieg … aber es gibt eine solch unglaubliche Aufrichtigkeit.” Andsnes mag es manchmal, Beethovens übermässiges Vertrauen auf die Resonanz-Eigenschaften des Klaviers auszugleichen und spielt einige der Pedalierungen nicht so lange, wie die Partitur es verlangt, was, wie er glaubt, die Musik besser dem heutigen Klavier anpasst. Er findet, dass “die Musik umfangreich genug für verschiedene Ansätze ist.” Ich persönlich mochte seinen aufgeschlossenen Ansatz sehr und empfand diesen als sehr wirkungsvoll.
Andsnes plant, Beethovens Oeuvre als Teil seines bevorstehenden Projektes vorzustellen, an dem er für Sony arbeitet, und das all die Beethoven Aufnahmen Seite an Seite mit dem Gustav Mahler Orchester enthalten wird. Er wird ebenfalls eine gewaltige Reihe von internationalen Auftritten leiten, die sich über die Spielzeit 2014/15 erstrecken werden, und zwar in Zusammenarbeit mit der norwegischen Stiftelsen Kristian Gerhard Jebsen.
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