Aufschlussreiche Schwelgerei im Originalklang
Sie klingen für unsere modernen Ohren oft dünn wie Zwirnsfäden und trocken wie Butterbrotpapier: Klaviere und Flügel aus dem 19. Jh. In der Frühzeit des Klaviers, als die klangliche Ähnlichkeit zum Cembalo oder zum Clavichord noch zum „guten Ton“ gehörte, ja, Teil des ganzen Konzepts des Instrumentenbauers war, kamen Tastenlöwen wie Ludwig van Beethoven daher – und veränderten alles! Plötzlich gab es Musik, für die die Klaviere ihrer Zeit nicht ausreichend zu sein schienen. So manches Instrument der Zeit mag unter dem Gewitter der „Hammerklaviersonate“ oder der „Apassionata“ buchstäblich „in die Knie“ gegangen sein. Von Beethoven ist überliefert, dass er per furiosem Anschlag gleich ein paar Klaviere ins Nirvana schickte. Kein Wunder, dass der Komponist Zeit seines Lebens nach dem perfekten Instrument suchte und zum regelrechten „Klaviersammler“ wurde.
Horcht man allerdings der besprochenen CD mit zwei so schön klingenden und gut aufgenommenen Instrumenten wie den hier zu hörenden Flügeln von Caspar Katholnig (ca. 1805-1810) und Johann Nepomuk Tröndlin (1830), fragt man sich, ob das nicht doch deutlich (!) schöner ist, als der gleichmacherische, „patentierte“ Steinway-Sound, der uns heute von wirklich jeder Bühne entgegentönt. Beide o. g. Instrumente dieser Aufnahmen stammen aus der „Frederick Historic Piano Collection“ (was und wo auch immer das sein mag) und scheinen sich in perfektem Zustand zu befinden, denn sie klingen – auf dieser Doppel-CD, und das möchte ich einfach noch einmal betonen, – wahrlich s e n s a t i o n e l l.
Wenngleich die beiden verwendeten Instrumente die unbestrittenen Stars der vorliegenden Einspielung sind, so ist doch auch deren Programmidee eine sehr pfiffige. Klaviermusik Beethovens konsequent mit derjenigen seiner Lehrer in Bezug zu setzen, ist ein toller und spannender Einfall, und man fragt sich, warum den nicht auch schon früher mal jemand hatte. Und so finden sich auf der vorliegenden Einspielung überwiegend selten zu hörende Stücke für Klavier, vierhändig, von Ludwig van Beethoven und seinen Lehrern Christian Gottlob Neefe, Joseph Haydn und Johann Georg Albrechtsberger. Über die Komponisten als solche an dieser Stelle noch ein Wort zu verlieren, käme dem sprichwörtlichen Eulen-nach-Athen-tragen gleich. Wer Haydn und Beethoven nicht kennt, dem ist eh nicht mehr zu helfen und Neefe und Albrechtsberger sollten dem geneigten Musikfreund ja zumindest vom Namen her geläufig sein.
Albrechtsberger, der u. a. solche leichtfüßigen Spaßigkeiten wie eine Handvoll Konzerte für Maultrommel und Mandora komponierte, wird auf der vorliegenden CD jedoch in seiner Funktion als gestrenger Kontrapunktiker und Kirchenmusikmeister gezeigt. Als singulär stehendes Klangbeispiel hinterlässt das doch einen etwas vielleicht zu spröden Eindruck, der Albrechtsbergers facettenreichem Gesamtwerk kaum gerecht wird. Auch das vorgestellte Neefe-Stück scheint mir nicht besonders gut gewählt, denn seine „sechs leichten Stücke aus Mozarts Oper `Die Zauberflöte´“ sind eben „nur“ Bearbeitungen nach damals wie heute modischer „Greatest Hits“-Manier von Arien aus Mozarts hinlänglich bekanntem Singspiel – nur eben für Klavier, vierhändig. Lediglich das gewählte Haydn-Stück (das Divertimento in F-Dur mit dem aufschlussreichen Untertitel „Il Maestro e lo Scolare“) wirkt nahezu als die perfekte Wahl; nicht nur, weil es ein wunderbar originelles und schönes Werk ist, sondern auch, weil man historisch begründet davon ausgehen kann, dass Beethoven und der von ihm als „Papa Haydn“ titulerte Lehrer dieses Kleinod wohl tatsächlich hin und wieder mal zusammen zum Besten gegeben haben könnten.
Nahezu alle Beethoven-Stücke wiederum, die hier versammelt sind, sind ein „Ohrenschmaus“ ersten Ranges. Es ist hochgradig bedauerlich, dass die Kompositionen Beethovens für Klavier, vierhändig nicht häufiger zu hören sind. Lediglich beim vierhändigen Großangriff auf den Originalklangflügel – Beethovens eigener Bearbeitung der „Großen Fuge“ – denkt man sich im Stillen, dass für so zeitlos zeitgenössische Musik (wie es einst Igor Strawinsky auf den Punkt brachte) der moderne „Steinway“ doch die bessere Wahl gewesen wäre. Insbesondere bei diesem Stück hat man zudem den Eindruck, dass die Interpreten Cullan Bryant und Dmitry Rachmanov nicht allzustark ins Forte abdriften wollen, weil sonst womöglich das Klavier die Segel streicht…
Von dieser Ausnahme abgesehen können aber über die interpretatorischen Qualitäten des Duos Bryant und Rachmanov nur Worte des Lobes, ja, ich möchte sagen, Worte des Jubels ausgeschüttet werden. Es gelingt ganz sicher nicht jedem, Instrumenten des 19. Jahrhunderts, die viel schwierger und unkalkulierbarer zu spielen sind als unsere heutigen Instrumente, solch einen spektakulären Schönklang zu entlocken. Wer hat behauptet, man könne sich im Klang eines historischen Klaviers nicht verlieren? Trocken? Dünn? – Alles Attribute, die einem jedenfalls bei /dieser/ CD (mit Ausnahme der vorwegs erwähnten „Großen Fuge“) nie in den Sinn kommen. Dies liegt sicherlich auch am sehr, sehr, s e h r schön räumlich, vielleicht nur eine winzige Spur zu „hallig“, eingefangenen Aufnahmeklang, der auch höheren Hifi-Ansprüchen (und die hab ich persönlich beispielsweise ja immer…) vollauf genügt.
Eine klare Kaufempfehlung! Das Konzept wäre ausbaufähig, schließlich hatten auch andere Komponisten sehr namhafte Lehrer. Also, Naxos-Label,: Bitte mehr davon!
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