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Schlagwort: Grand Piano

Eleonor Bindman & Jenny Lin: Johann Sebastian Bach – The Brandenburg Duets (arr. Eleonor Bindman)

Von Johann Sebastian Bach sind weit über 1000 Werke bekannt. Ergibt es da wirklich Sinn, Bearbeitungen aufzunehmen oder gar neue zu erstellen? Die überraschende Antwort lautet: ja, sicher! Man verstehe mich nicht falsch: Natürlich gibt es jede Menge völlig sinnfreier, schlechter oder zumindest mittelmäßiger Bearbeitungen und Transkriptionen, die offenbar keinen anderen Sinn haben, als die Eitelkeit des Bearbeiters zu befriedigen (oder eines Interpreten, der unbedingt Bach auf seinem Instrument spielen will). Das bedeutet aber im Umkehrschluss nicht, dass es nicht überaus wertvolle und aufregend spannende neue (und historische) Bearbeitungen gibt, die es wirklich wert sind, entdeckt zu werden und die Bachs Œuvre durchaus bereichern.

Die lettisch-amerikanische Pianistin Eleonor Bindman hat eine neue Fassung der Brandenburgischen Konzerte zu vier Händen geschrieben, weil sie mit der von Max Reger erstellten nicht zufrieden war. Bei Reger besteht eine Diskrepanz zwischen dem hohen Primo-Part und dem tiefen Secondo-Part, der weite Teile der Polyphonie der Werke regelrecht verschluckt. Bindmans oberstes Ziel bei ihrer Transkription war es, eine Balance zwischen den beiden Parts herzustellen und somit Bachs polyphone Kontrapunktik klar und transparent abzubilden. Sie schreibt dazu im Booklet: »Mein Hauptziel war eine Übertragung, die die Polyphonie betonte. Dabei versuchte ich mir vorzustellen, wie Bach wohl die Partitur aufgeteilt hätte, wenn er vierstimmige Inventionen hätte arrangieren wollen.«

Stephane Ginsburgh: Anthony Burgess – The Bad-Tempered Electronic Keyboard, 24 Preludes and Fugues

Kennen Sie Anthony Burgess? Natürlich. Der Autor von „Uhrwerk Orange“ (im Original: „A Clockwork Orange“, 1962) gehört zu den meistgelesenen Autoren des ausgehenden 20. Jahrhunderts, auch wenn kein anderes seiner Bücher nur annähernd an den Erfolg der Dystopie um Alex und seine Droogs anknüpfen konnte. Die Verfilmung von Stanley Kubrick (1971) tat ihr Übriges. Viel unbekannter als „der Schriftsteller Burgess“ ist „Burgess, der Komponist“, obwohl es sich dabei um ein und dieselbe Person handelt. Neben seiner schriftstellerischen Arbeit hat er immer auch komponiert. In 60 Jahren produktiven Lebens entstanden über 250 Werke. »Ich wünschte, die Leute würden mich als Musiker sehen, der Romane schreibt und nicht als Romanautor, der Musik nebenbei schreibt« formulierte Burgess sein Selbstverständnis (vielleicht etwas überspitzt und nicht ohne Selbstironie).

Burgess stammte aus einem musikalischen Haushalt: Seine Mutter war Sängerin und Tänzerin (als „the Beautiful Belle“) in den Music-Halls des ausgehenden 19. Jahrhunderts, sein Vater war Pianist, zunächst in denselben Music-Halls wie seine Ehefrau, später begleitete er Stummfilm-Aufführungen in den Kinos. Anthony Burgess selbst arbeitete als Pianist in den 1940er Jahren und versuchte bis Mitte der 1950er Jahre seine Karriere als Komponist zu lancieren. Als dies scheiterte, wandte er sich „vorläufig“ der Schriftstellerei zu – mit deutlich mehr Erfolg – um ab Mitte der 1970er Jahre wieder verstärkt zu komponieren. So schrieb er 1979 ein Violinkonzert für Yehudi Menuhin, mit dem er befreundet war und 1985 „The Bad-Tempered Electronic Keyboard“, der Titel (»die schlecht-temperierte (übel gelaunte) elektronische Klaviatur«) offensichtlich eine ironische Verneigung vor seinem Idol Johann Sebastian Bach.

Der Autodidakt komponierte „The Bad-Tempered Electronic Keyboard“ anlässlich des 300. Geburtstags des Eisenacher Komponisten mithilfe eines Apple Computers und eines Casiotone 701 Synthesizers binnen weniger Wochen, laut Manuskript zwischen dem 23. November und dem 13. Dezember 1985. Die Flüchtigkeit ist hie und da, seien wir ehrlich, dem Ergebnis anzuhören. Bach war wohl nicht der einzige Pate seines Zyklus’. Da Schostakowitsch explizit zu seinn zeitgenössischen Lieblingskomponisten zählte, ist es mehr als wahrscheinlich, dass auch Dmitri Dmitrijewitschs „24 Präludien und Fugen“ Burgess im Kopf umherschwirrten, als er seinen eigenen Klavierzyklus in allen Dur- und Molltonarten, chromatisch aufsteigend angeordnet von C-Dur bis h-Moll, schrieb. „The Bad Tempered“ Zykus ist mal kontrapunktisch streng, mal modern und kühn, mal sind Einflüsse aus dem Jazz zu erkennen, mit dem er einst als Pianist seine ersten Brötchen verdiente. „The Bad-Tempered Electronic Keyboard“ ist ein vielleicht kurioses, aber letzten Endes kein belangloses Amateurwerk, sondern ein zumindest stellenweise kunstvoll kontrapunktisches, originelles und immer wieder überraschendes Werk eines talentierten Amateurs.

Nicolas Horvath: Erik Satie – Complete Piano Works · 1 – New Salabert Edition

Auch fast 100 Jahre nach dem Tode Erik Saties scheint seine Musik aufregend aktuell und einzigartig wie eh und je. Seine einfache, klare, nicht selten ironische oder zumindest surreale Musik bleibt in ihrer Schlichtheit ein Fixpunkt für die Moderne. Bereits John Cage sah in ihm einen Wegbereiter der Neuen Musik. Später bezogen sich die Komponisten der Minimal Music und aktuell die der Postmoderne auf seine schlichten Formen und seine bewusst reduzierte Klangsprache.

Nicolas Horvath – Philip Glass: Glassworlds 5

Fast schon könnte man glauben, dass die Musik des US-amerikanischen Minimal-Music-Komponisten Philip Glass ein wenig aus der Mode kommen sollte. Immerhin drängen immer mehr junge „postmoderne“ Komponisten ins Rampenlicht, aber das Gegenteil ist der Fall. Glass’ Musik ist aktueller denn je. Sie wird nicht nur von Komponisten wie Max Richter, Yann Tiersen und Ólafur Arnalds als Inspirationsquelle und Vorbild genannt, eine Fülle von jungen Musikern widmen sich mit Leidenschaft und Raffinesse der Musik des vom Establishment nicht immer gern gesehenen Grenzgängers.