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Nicolas Horvath – Philip Glass: Glassworlds 5

Fast schon könnte man glauben, dass die Musik des US-amerikanischen Minimal-Music-Komponisten Philip Glass ein wenig aus der Mode kommen sollte. Immerhin drängen immer mehr junge „postmoderne“ Komponisten ins Rampenlicht, aber das Gegenteil ist der Fall. Glass’ Musik ist aktueller denn je. Sie wird nicht nur von Komponisten wie Max Richter, Yann Tiersen und Ólafur Arnalds als Inspirationsquelle und Vorbild genannt, eine Fülle von jungen Musikern widmen sich mit Leidenschaft und Raffinesse der Musik des vom Establishment nicht immer gern gesehenen Grenzgängers.

Der monegassische Pianist Nicolas Horvath hat sich vorgenommen, Philip Glass’ vollständiges Klavierwerk aufzunehmen. Das schließt auch zahlreiche Transkriptionen für Klavier seiner Orchesterwerke und Filmmusiken ein. GP745 Glassworlds 5 - Nicolas HorvathHorvaths Reihe „Glassworlds“ ist mittlerweile beim fünften Teil angelangt und stellt immer wieder nicht nur bekanntes Material, sondern auch Raritäten vor. „Enlightenment“, so die Überschrift des fünften Volumen, enthält gleich drei Weltersteinspielungen: „Metamorphosis Two“ (in der Fassung für Soloklavier), „600 Lines“ und dazu, quasi als Zuckerstückchen, die Transkription von Paul Simons Welterfolg „The Sound of Silence“. Darüber hinaus enthält das Album eine Aufnahme des Schlüsselwerks „Mad Rush“ von 1979. Dessen erster Teil wurde später zur berühmten „Opening From Glassworks“, der zweite Teil wurde im Koyaanisqatsi-Soundtrack in „Vessels“ wiederverwertet, der dritte Teil tauchte im sechsten Satz des dritten Streichquartetts „Mishima“ auf und der vierte wurde in „Metamorphosis Two“ wieder aufgegriffen.

Herzstück des Albums ist das rund 40-minütige „600 Lines“. Im Booklet nennt Horvath das Werk »das radikalste und faszinierendste Stück, das Philip Glass komponiert hat« und erläutert: »Die fünf Töne C, D, E, F und G, die in ständigen Mutationen von großer, raffinierter Komplexität organisiert sind, wecken durch ihre Wiederholung den trügerischen Eindruck einer zyklischen Struktur.« Diese »obsessive, hypnotische Toccata« mit epischer Länge ist ein Lehrstück, wie Minimal Music in nucem funktioniert: Ein bewusst eingeschränktes musikalisches Vokabular wird durch Wiederholungen, leichte Taktverschiebungen und gemächliche Mutationen zu einem hypnotisierenden Klanggebilde.

Nicolas Horvaths Stärke ist seiner traumwandlerische Vertrautheit mit dem Material und seine technische und interpretatorische Souveränität. Hier wirkt, trotz stellenweise sehr rascher Tempi, nichts überhastet oder flüchtig. Jede einzelne Note erhält genügend Zeit (und Raum), um sich frei entfalten zu können. Dabei gelingt ihm das Obsessive, Mechanistische der „600 Lines“ mit derselben Überzeugungskraft, wie die sehnsuchtsvolle Reduktion in der leider viel zu kurzen „Sound of Silence“-Transkription.

Eine besondere Erwähnung verdient auch die kluge Wahl der Instrumente, ein Fazioli Grand Piano bei den Minimal-Stücken, ein Steinway Model D bei der Paul-Simon-Bearbeitung. Es ist der fantastischen Klangregie des Produzenten Nikolaos Samaltanos und des Toningenieurs Evi Iliades zu verdanken, dass die ganz eigene Magie der Musik Glass’ in der protestantischen Saint-Marcel-Kirche plastisch und natürlich aufgenommen wurde.

Published inAlben vorgestellt

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