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Krassimira Stoyanova · Maria Prinz: Giacomo Puccini – Complete Songs for Soprano and Piano

»Ich will die Welt zum Weinen bringen«, schrieb Giacomo Puccini einst und fürwahr: Während der Vorstellungen seiner Opern wurde in den letzten 100 Jahren so manche Träne vergossen. Puccini steht, wie kaum ein anderer italienischer Komponist der Spätromantik (ausgenommen Giuseppe Verdi), für die dramatische, in seinem Fall tragische Verismo-Oper. Die Arien sind perfekte Inszenierungen großer Gefühle und Gesten, die Libretti sind unausweichliche Katastrophen der Liebe, die einem das Herz brechen. Bis zum heutigen Tage verfehlt Puccinis Musik seine Wirkung nicht: „La Bohème“, „Tosca“, „Madama Butterfly“ und „Turandot“ garantieren den Opernhäusern ausverkaufte Vorstellungen. Selbst unter jenen Musikfreunden, die mit der klassischen Musik üblicherweise fremdeln, erfreuen sich Arien wie „O mio babbino caro“, „Un bel dì, vedremo“ oder „Nessun dorma“ großer Beliebtheit. Puccinis (zugegebenermaßen eher kleines) restliches Œuvre abseits der Opernbühne bleibt indes, mit Ausnahme der „Messa di Gloria“, weitgehend unbeachtet, ja unbekannt.

Puccini schrieb insgesamt 19 Lieder, die die bulgarische Star-Sopranistin Krassimira Stoyanova mit der Pianistin Maria Prinz nun (meines Wissen als Erste) vollständig aufgenommen hat. Die 19 Kompositionen sind eine bescheidene und bei genauerer Betrachtung sehr heterogene Sammlung. Ein Großteil davon sind Jugendwerke, die zwischen 1875 und 1880 entstanden, andere sind Stücke aus seiner Studienzeit 1880–1884, bevor sein Operndebüt „Le Villi“ uraufgeführt wurde. Dann gibt es eigens für den Salon komponierte Lieder, die als Supplement für Musikzeitschriften nach seinen ersten Erfolgen zwischen 1888 und 1890 erschienen und einige reife Kompositionen, die zwischen 1902 und 1909 explizit für Freunde und Widmungsträger komponiert wurden. Die drei geistlichen Lieder („Salve Regina“, „Beata Viscera“ und „Vexilla Regis prodeunt“) wurden für Gesang und Orgel geschrieben, bei zwei dieser Canti sacri übernimmt Krassimira Stoyanova auch (die Studiotechnik macht es möglich) die zweite Mezzosopran-Stimme. Sie gestaltet die beiden Stimmen sehr individuell und mit verschiedenen Klangfarben, sodass die Illusion des „mit sich selbst Duetttieren“ perfekt ist. Natürlich passen ihr Mezzo und ihr Sopran „perfekt“ zueinander. Durch diesen kleinen Kunstgriff entsteht ein gesanglich homogenes Album, in dessen Mittelpunkt Puccinis Talent für den Umgang mit der weiblichen Stimme steht.

Puccini war kein wirklicher Lied-Komponist, weder in seinen frühen Jahren, noch später. Seine Lieder waren lediglich Nuklei für seine Arien. Oft genug hat er die hier verwendeten Themen in seinen Opern wieder aufgegriffen. Folgerichtig gestaltet Krassimira Stoyanova die Kompositionen auch nicht als intime Kammermusik, sondern als schlicht begleitete (Proto-) Arien, vorgetragen von einer veritablen Puccini-Heldin. Sie rückt mit ihrem untrüglichen Können die Gesangslinien und Koloraturen in den Vordergrund und gestaltet sie mit der ganzen Erfahrung eines internationalen Opernstars. Wie bereits auf dem erst vor wenigen Wochen erschienenen Album „Verismo“ (Orfeo, C899171) erweist sie sich als einer der drei, vier derzeit besten Puccini-Sängerinnen der Welt. Sie verleiht den Liedern mit ihrer kraftvollen und dennoch zu zartestem Schmelz fähigen Stimme sehr viel Charakter und legt mit Textverständnis und Einfühlungsvermögen die ungeschliffenen Rohdiamanten Puccinis frei. Sicher: Diese 19 Lieder sind keine Höhepunkte im Schaffen des toskanischen Opernkomponisten, doch durch Krassimira Stoyanovas engagierte und allzeit „wissende“ Interpretation erweisen sie sich als wundervolle und lohnenswerte Ergänzung jeder Puccini-Sammlung.

Published inAlben vorgestellt

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