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clair-obscur Saxofonquartett: Paul Hindemith – Works for Saxophone

 

Paul Hindemith (1895-1963) gilt heute als einer der herausragendsten deutschen Komponisten des 20. Jahrhunderts, auch wenn sich seine Musik, zumindest hierzulande, erst stark verzögert beim breiten Publikum durchzusetzen scheint. Das mag daran liegen, dass es Hindemith an so etwas wie einer „Hit-Komposition“ (im Sinne eines allgegenwärtigen Erfolgs à la Ravels „Boléro“) fehlt, vielleicht wirkte auch jener unselige Stempel der „entarteten Musik“ der Nazis im Unterbewussten weiter, der ihn Ende der 1930er Jahre zur Emigration nötigte.

Hindemiths unkonventionelle Musik, die sich den üblichen Kategorien entzieht, wirkt aber gerade wegen ihres eklektizistischen Ansatzes, immer noch brandaktuell und unverbraucht. Sie vereint Elemente aus dem Expressionismus, dem Neoklassizismus und dem Jazz zu einer eigenen Klangsprache mit oftmals unterschätzten Qualitäten. In seiner Kammermusik experimentierte Hindemith gerne mit ungewöhnlichen Instrumenten und verschiedenen Stilrichtungen. So war er einer der ersten europäischen Komponisten, die sich intensiv mit den klanglichen Möglichkeiten des Saxofons auseinandersetzten. Bereits in den 1920er Jahren integrierte er das Instrument mehrfach in die Partituren seiner Bühnenwerke.

Anklicken, um Bezugsquellen angezeigt zu bekommen.Das WERGO-Album „Paul Hindemith: Works for Saxophone“ des clair-obscur Saxofonquartetts fasst originale und bearbeitete Kammerwerke Hindemiths für Saxofon und Klavier und/oder Bratsche zusammen. Als Originalwerke sind das „Trio für Klavier, Bratsche und Tenorsaxofon (oder Heckelfon)“, op. 47 (1928), das „Konzertstück für zwei Altsaxofone“ (1933) und die „Sonate für Althorn in Es (auch Altsaxofon oder Waldhorn) und Klavier“ (1943) zu hören. Die Bearbeitungen stammen vom Tenorsaxofonisten des clair-obscur-Ensembles Christoph Enzel und liegen hier als Ersteinspielungen vor: Sie umfassen Saxofonquartett-Fassungen der „Sonate für vier Hörner“ (1952), von „Des kleinen Elektromusikers Lieblinge“ (für Saxofontrio, 1930), „Frankenstein’s Monstre Repertoire“ (1938) sowie „Wasserdichter und Vogelbauer“ und „Alte Karbonaden“ aus dem „Minimax Repertorium“ (1923). An der Viola ist die wunderbare Barbara Buntrock zu hören, die Klavierparts teilen sich Robert Kolinsky und Florian von Radowitz.

Schon die eröffnende Sonate zeigt die musikalische Wandelbarkeit des Saxofons – und der ausführenden Musiker – eindrucksvoll. Das clair-obscur Saxofonquartett entlockt seinen Instrumenten bald lyrische, bald kraftvoll-forsche Klänge. Die Sonate ist, in komprimierter Form, gleichsam das Programm des Albums: Auf stille Passagen folgen tänzerische Momente, auf kontemplative Sequenzen folgt volkstümlich anmutende Melodiehaftigkeit. Das Unberechenbare, der Humor, aber auch das elegische Moment in Hindemiths stets wandelnder Musik ist beim Berliner Saxofonquartett in den besten Händen, vielleicht, weil es selbst so ist, wie die Musik Hindemiths: wandlungsfähig und spontan, im gleichen Moment hochkonzentriert und kompromisslos in der Umsetzung. Im Ergebnis ist das eine Bereicherung für die Hindemith-Diskografie, nicht zuletzt wegen der gelungenen und authentisch wirkenden Transkriptionen.

Published inAlben vorgestellt

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