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Monat: April 2018

Pierre-Laurent Aimard: Olivier Messiaen – Catalogue d’Oiseaux

Olivier Messiaen gilt heute als einer der bedeutendsten Komponisten des vergangenen Jahrhunderts, dessen Werk vor allem die Musik nach 1945 stark beeinflusste, obwohl es nur wenige direkte Nachahmer gefunden hat. Als Professor am Conservatoire de Paris war er zwischen 1941 und 1977 unter anderem Lehrer von Pierre Boulez, Karlheinz Stockhausen und Iannis Xenakis und prägte so indirekt den „neuen Klang“ der europäischen Nachkriegsmusik. Er war von 1931 bis zu seinem Tod erster Organist der Église de la Sainte-Trinité in Paris und hinterließ ein weitgefasstes Œuvre, das von der Orgelmusik über die Klavier- und Kammermusik bis zu groß angelegten Orchesterwerken reicht. Messiaens Stil bildete sich früh heraus und blieb bis zum Ende seiner Karriere nahezu unverändert. In seiner Musik spielen mystische Religionserfahrungen (er war tief im katholischen Glauben verwurzelt) und die Natur (speziell die Vogelwelt: Messiaen war auch Ornithologe) eine herausragende Rolle.

Die Schöpfung Gottes in der Natur steht auch in seinem zentralen Klavierwerk „Catalogue d’Oiseaux“, zu Deutsch „Der Vogel-Katalog“ im Mittelpunkt. Seine zweite Ehefrau Yvonne Loriod war die Widmungsträgerin. Sie führte das Werk auch 1959 als Erste auf. Sie war auch die Lehrerin des Weltklasse-Pianisten Pierre-Laurent Aimard. Dies ist wohl die beste Voraussetzung, um Messiaens wichtigstes Klavierwerk heute, fast 60 Jahre nach seiner Entstehung, aufzuführen und aufzunehmen. Denn diese Musik lässt sich nicht allein durch die Noten erfassen, man benötigt ebenso einen Einblick in das mystische Lebensbild des französischen Individualisten, um seine Schöpfungen mit Leben zu füllen.

Brasil Guitar Duo · Delaware Symphony Orchestra, David Amado: Leo Brouwer – The Book of Signs · Paulo Bellinati – Concerto Caboclo

Das 20. Jahrhundert war (in gewisser Weise) das Jahrhundert der Gitarre in der klassischen Musik (in der populären Musik, spätestens ab den 1960ern sowieso). Ausgelöst durch die charismatische Wirkung Andrés Segovias wandten sich viele zeitgenössische Komponisten der Gitarre zu. Nach Segovia folgten weitere Gitarristen (Julian Bream, John Williams, Los Romeros und Narciso Yepes, um einige der populärsten Namen zu erwähnen), die Komponisten zu neuen Werken inspirierten oder diese gar direkt damit beauftragten.

Dieser Trend hat sich auch im frühen 21. Jahrhundert fortgesetzt. Neue Gitarrenkonzerte von namhaften Komponisten sind keine Seltenheit mehr. Zwei der interessantesten aktuellen Beiträge zur Gattung kommen (wie so viele) aus Lateinamerika, namentlich „The Book of Signs“ des Kubaners Leo Brouwer (*1939) und das „Concerto Caboclo“ des Brasilianers Paulo Bellinati (*1950). Bei beiden handelt es sich um Konzerte für zwei Gitarren und Orchester. Während Brouwer weltweit als einer der wichtigsten lebenden Komponisten für Gitarrenmusik gilt, ist Bellinati außerhalb seiner Heimat eher ein Geheimtipp, zumindest unter der Nicht-Gitarren-affinen. Sowohl Brouwer als auch Bellinati sind selbst virtuose Gitarristen. Das Brasil Guitar Duo, bestehend aus João Luiz und Douglas Lora, hat die beiden Konzerte als Weltersteinspielung gemeinsam mit dem Delaware Symphony Orchestra unter David Amado eingespielt.

Eleonor Bindman & Jenny Lin: Johann Sebastian Bach – The Brandenburg Duets (arr. Eleonor Bindman)

Von Johann Sebastian Bach sind weit über 1000 Werke bekannt. Ergibt es da wirklich Sinn, Bearbeitungen aufzunehmen oder gar neue zu erstellen? Die überraschende Antwort lautet: ja, sicher! Man verstehe mich nicht falsch: Natürlich gibt es jede Menge völlig sinnfreier, schlechter oder zumindest mittelmäßiger Bearbeitungen und Transkriptionen, die offenbar keinen anderen Sinn haben, als die Eitelkeit des Bearbeiters zu befriedigen (oder eines Interpreten, der unbedingt Bach auf seinem Instrument spielen will). Das bedeutet aber im Umkehrschluss nicht, dass es nicht überaus wertvolle und aufregend spannende neue (und historische) Bearbeitungen gibt, die es wirklich wert sind, entdeckt zu werden und die Bachs Œuvre durchaus bereichern.

Die lettisch-amerikanische Pianistin Eleonor Bindman hat eine neue Fassung der Brandenburgischen Konzerte zu vier Händen geschrieben, weil sie mit der von Max Reger erstellten nicht zufrieden war. Bei Reger besteht eine Diskrepanz zwischen dem hohen Primo-Part und dem tiefen Secondo-Part, der weite Teile der Polyphonie der Werke regelrecht verschluckt. Bindmans oberstes Ziel bei ihrer Transkription war es, eine Balance zwischen den beiden Parts herzustellen und somit Bachs polyphone Kontrapunktik klar und transparent abzubilden. Sie schreibt dazu im Booklet: »Mein Hauptziel war eine Übertragung, die die Polyphonie betonte. Dabei versuchte ich mir vorzustellen, wie Bach wohl die Partitur aufgeteilt hätte, wenn er vierstimmige Inventionen hätte arrangieren wollen.«